Unscheinbar
verschwand in die Küche.
Bens flache Hand erwischte anstelle von Tims Hinterkopf nur Luft.
„Was treibt dich her?“ Ben trat nach Tim in die Küche. Er sah gar nicht hin. Er streckte nur die Hand aus, als er am Kühlschrank vorbei ging. Da füllte auch schon eine kühle Bierflasche die Handfläche aus.
Tim zog den Kopf aus dem Kühlschrank, setzte seine Zähne an den Kronkorken seiner Bierflasche, hob die Flasche schräg nach aussen und genoss das leise Zischen der entweichenden Kohlensäure. Dann hob er seinen Arm noch weiter und die Flasche war vom Verschluss befreit. Ohne zu zögern spuckte Tim den Kronkorken in die Spüle und trank gierig einen grossen Schluck.
Ben wartete das Ritual geduldig ab. Symbolisch hob er seine Flasche in Tims Richtung um seinem Freund zuzuprosten und trank dann selbst das konventionell geöffnete Bier in tiefen Zügen.
„Also nochmal. Was hat dich hergeführt?“
Tim schwieg noch einen Augenblick. Dann sah er Ben aus Unschuldsmiene an. Und da fiel der Groschen.
„Meine Mutter hat dich angerufen?“
Ein Grummeln und ein Nicken.
„Du sollst mich davon überzeugen Ferien zu machen?“
Wieder das grummelnde Nicken.
„Wenn du sie nachher zurückrufst, kannst du ihr sagen, dass ich ihr nicht widerspreche.“
Im Gesicht des Gegenübers hob sich fragend eine Augenbraue.
„Ich habe mich heute dabei ertappt, wie mich eine Vergangenheit einholt, die nicht meine ist. Das ist definitiv ein Zeichen.“
„Das Foto, das du vorhin auf die Kommode neben die Haustür gelegt hast?“
„Manchmal machst du mir echt Angst, weisst du das?“
„Ich sagte doch schon immer, ich stamme aus einer Dynastie berühmter Hellseher und Wahrsager. Ihr wollt mir nur nicht glauben!“
„Wollen wir wirklich noch einmal über den Trick der verschwindenden Kaffeemaschine sprechen?“
„Hey, die Maschine war weg!“
„Ja. Und die Feuerwehr da.“
„Ach, komm. Es brannte ja nicht das ganze Haus runter. Einen Teil konnten wir retten und der Rest war sowieso renovationsbedürftig.“
„Das Büro war frisch saniert und der Pausenraum auch. Zum Glück hast du die Werkstatt verschont.“
„Auch das hätte die Versicherung bezahlt.“
„So verfallen war dir die zuständige Sachbearbeiterin nun auch nicht. Und auch wenn, ihr Chef war’s ganz bestimmt nicht.“
„Ja, ja, ist ja gut jetzt. Deine Bude steht wieder und ich habe schon lange nichts mehr abgefackelt. Also Schwamm drüber. Wo geht’s denn in Urlaub?“
„Das weiss ich noch nicht.“ Ben sah seinem Freund in die leuchtenden Augen. „Nein. Nicht Mallorca. Und auch nicht Gran Canaria und schon gar nicht mit dir. Sonst bringen die Ferien nichts.“
„Warum? So gäbe es wenigstens Urlaub vom Urlaub.“
Ben warf Tim einen tadelnden Blick zu. Dann wurde er ernst. „Nein. Ich schätze, ich fahr an einen Ort, den ich schon zu lange meide.“
Tim blickte erwartungsvoll auf. „Und wie nennt sich dieser mysteriöse Ort?“
„Zuhause.“
Strang 1 / Kapitel 5
Emma machte in dieser Nacht kein Auge zu. Immer und immer wieder drehten sich die Gedanken um die Ereignisse des vergangenen Tages. Begonnen mit ihrer Nervosität vor der Hausbesichtigung, über das verträumte Gesicht der schwangeren Käuferin zu der anfänglich erheiternden Begegnung mit Martin, die dann äusserst unerfreulich endete und schliesslich ihr Schlussstrich unter eine lieblose Beziehung mit einem Egomanen. Super.
Emma sah auf die Zeitanzeige ihres digitalen Weckers. So deutlich, als würden sie sie verhöhnen, leuchteten ihr die Ziffern entgegen. Fünf Uhr. Weder die Zeit um aufzustehen, noch die Zeit um einzuschlafen. Entnervt und ratlos rollte sich Emma aus dem Bett. Sie trat an den grossen Kleiderschrank heran und zog sich das Erstbeste aus ihrem Fach für Sportkleidung über. Viel Auswahl lag darin sowieso nicht. Ihre langen Haare band sie zu einem Pferdeschwanz. Sie schlüpfte in ihre Joggingschuhe und trat anschliessend auf die Strasse. Es war noch nicht allzulange her, seit sie mit dem Laufen begonnen hatte. Die ersten Minuten kosteten sie auch jedes Mal aufs Neue Überwindung. Aber sobald die Muskeln warm wurden und der Körper sich an die Bewegungsabläufe erinnerte, bekam sie das Gefühl ewig joggen zu können. Ohne ein fixes Ziel rannte sie los. Sie genoss die kühle Morgenluft und die ganz eigene Stille der Umgebung. Zwar war der Tag noch nicht richtig angebrochen, dennoch brodelte unter dem Frieden bereits die Betriebsamkeit des Tages.
Nur
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