Unschuldiges Begehren
selbst willen gemocht?
Mit hängenden Schultern drehte sie sich um und schleppte sich zurück in ihr Büro. Sie sah nicht, dass der Herbst die Bäume rot und golden färbte. Merkte nicht, dass die herbstliche Farbpalette den perfekten Hintergrund für ihre eigene Erscheinung bot.
Frauen drehten sich neidisch nach dem gertenschlanken Wesen mit dem kupferroten Haar und den grünen Augen, denen unvergossene Tränen einen hellen Glanz verliehen, um. Aber Hailey nahm die heimliche Bewunderung der Frauen genauso wenig wie die faszinierten Blicke unzähliger Männer wahr, denen sie mit ihrer stolzen Haltung, dem natürlichen Wiegen ihrer Hüften, ihren wohlgeformten Beine und den herrlich straffen Brüsten beinahe die Augen übergehen lieÃ. Sie war so blind für all die beifälligen Blicke, wie sie es von Jugend an gewesen war. Wenn sie in den Spiegel schaute, sah sie noch immer das unbeholfene, wenig attraktive, nicht begehrenswerte Geschöpf, das sie als Teenager gewesen war.
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Doch nicht nur sie litt unter Tylers Fahnenflucht. Am Nachmittag meldete sich Faith bei ihr in der Arbeit. »Daddy hat gesagt, ich könnte Sie anrufen, wenn es Probleme gibt, sollte Sie aber nicht stören. Störe ich?«
Die Einsamkeit, die in der leisen Mädchenstimme schwang, rührte an Haileys Herz. Sie konnte ihren Zorn auf Tyler nicht an diesem Kind auslassen, merkte sie. »Natürlich nicht. Hast du denn ein Problem?«
»Tja, nun«, setzte das Mädchen zögernd an, und Hailey wurde klar, dass ihr noch kein passender Grund für ihren Anruf eingefallen war. »Glauben Sie, dass ich mir eine Dauerwelle machen lassen sollt? Sie wissen schon, wie Stevie Nicks.«
Hailey musste sich auf die Unterlippe beiÃen, denn sonst hätte sie bestimmt gelacht. »Ich denke, das sollten wir beim Abendessen besprechen.«
»Wirklich, Hailey? Mann, das wäre toll.« Im Handumdrehen wurde ihr bisher jämmerlicher Ton durch einen lauten Jubelschrei ersetzt.
»Warum fahren wir nicht rüber nach Pigeon Forge und essen dort?«
»Okay! Und was sollen wir anziehen?«, erkundigte Faith sich bei ihr mit erwachsenem Ernst, und Hailey fragte sich, ob sie vielleicht wie ihre tote Mutter sprach.
»Irgendetwas Lässiges wie Jeans und T-Shirt, ich hätte nämlich Lust auf irgendwas, wo es eine riesige Salatbar gibt, weil man sich danach problemlos einen doppelten Nachtisch leisten kann.«
Faith kicherte vergnügt. »Dann werden wir bestimmt so fett, dass uns Daddy nicht mehr erkennt, wenn er wiederkommt.«
Sie würde er bestimmt nicht mehr erkennen, nahm sich Hailey zornig vor. Sie würde ganz bestimmt nicht mehr so entgegenkommend und so eifrig sein wie bei ihrem letzten Zusammensein, als sie ihm zwar nicht mit Worten, doch mit Gesten zu verstehen gegeben hatte, wie viel ihr an seinen Berührungen und seinen Küssen lag. »Ich mache heute früher Schluss und
hole dich um sieben ab.« Wenn sie schon eine Rebellin würde, dann auch rundherum. »Sag dem Nachtportier â¦Â«
»Harry.«
»Sag Harry, ich bringe dich um zehn zurück.«
»Okay, bis dann.« Bevor sie auflegte, fügte Faith noch gut gelaunt hinzu: »Daddy hat gesagt, du denkst dir sicher ein paar tolle Dinge aus, die du mit mir machen kannst.«
Dann war er also davon ausgegangen, dass sie seinen Wunsch erfüllen würde, dachte Hailey, als sie mit zusammengepressten Lippen hinter ihrem Schreibtisch saÃ. Er war davon überzeugt gewesen, sie würde ihm diese Gefälligkeit erweisen.
Bis sie Faith abholen fuhr, hatte sich ihr Zorn etwas gelegt, und sie verbrachte erst bei einem ausgedehnten rustikalen Mahl und später bei einer Partie Minigolf einen durchaus amüsanten Abend mit dem Kind.
Danach brachten sie jeden Abend miteinander zu. Hailey hatte Spaà an dem Zusammensein mit Faith, und bereits nach kurzer Zeit vertraute ihr das Mädchen seine Sorgen an. Hailey hörte schweigend zu und wusste instinktiv, dass bisher noch niemand wirklich für die Kleine da gewesen war. Und nachdem der Damm einmal gebrochen war, vertraute ihr das Kind auch seine gröÃten Ãngste an.
Das einzige Haar in der Suppe war für Hailey, dass das Mädchen pausenlos von seinem Vater sprach. Tyler schien für Faith â äuÃerlich, intellektuell und natürlich
auch moralisch â der Inbegriff des Traummannes zu sein, und
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