Unschuldiges Begehren
muss noch was erledigen, Charlene. Nehmen Sie bitte meine Anrufe entgegen, ja?«
Dann bahnte sie sich einen Weg durch den hübsch angelegten Park. Wohin sie lief, war ihr egal; das Einzige, was zählte, war, dass sie beständig in Bewegung blieb.
Weshalb in aller Welt war sie zu dumm gewesen, um zu sehen, worum es ihm die ganze Zeit gegangen war? Anfangs hatte sie gedacht, er würde sie becircen, damit ihm hier an seinem Arbeitsplatz eine willige Gespielin zur Verfügung stand. Doch ihr hätte klar sein müssen, dass ein Mann mit seinem Ruf als knallharter Geschäftsmann nicht so weit gekommen war, indem er wahllos irgendwelche Techtelmechtel mit Kolleginnen oder mit Untergebenen begann.
Er hatte niemanden fürs Bett, sondern einfach einen Babysitter für sein Kind gesucht, für dessen Betreuung er zu egoistisch und auch zu beschäftigt war. Und kaum hatte er gemerkt, dass sie auf seinen Charme hereingefallen war, hatte er den nächsten vorsichtigen Schritt zu ihrer Anwerbung gewagt.
»Entschuldigung«, murmelte sie, als sie eilig an einem Paar, das sich über eine Karte des Parks beugte, vorüberlief.
»Sagen Sie, Sie arbeiten doch hier, oder? Können Sie uns sagen, wie wir zum Geisterplantagenhaus kommen? Es ist nicht auf der Karte.«
Natürlich ist es auf der Karte, du Idiot!, hätte sie den Mann am liebsten angeschrien. Stattdessen antwortete sie ihm mit engelsgleicher Geduld und Freundlichkeit: »Natürlich, Sir. Hier ist es.« Sie zeigte auf eine der deutlich markierten Attraktionen in dem bunten, leicht lesbaren Plan. »Gehen Sie am Marionettentheater vorbei, dann können Sie es nicht verpassen.«
Mit einem knappen »Okay« trottete er, seine Frau im Schlepptau, los.
»Gern geschehen«, murmelte Hailey entnervt. Sie war immer wieder überrascht davon, wie schlecht erzogen manche Menschen waren. Wie zum Beispiel Tyler Scott.
Hätte er sich wie ein anständiger Mensch benommen und ihr rundheraus erklärt, wie zugetan ihr seine Tochter, die den Tod der Mutter noch nicht überwunden hatte, war, hätte sie durchaus Mitgefühl mit ihm gehabt. Höchstwahrscheinlich hätte sie sich sogar freiwillig erboten, nach dem Kind zu sehen. SchlieÃlich hatte sie in ihrer Freizeit kaum etwas zu tun, und das Zusammensein mit Faith machte ihr wirklich SpaÃ.
Doch so hatte er es nicht gemacht.
Er hatte an ihre weibliche Eitelkeit, an den allen Frauen eigenen instinktiven Wunsch, als attraktiv zu gelten, appelliert. Sich anziehend zu fühlen und ⦠geliebt. Er hatte sie mit Komplimenten überhäuft, die sie sofort hätte durchschauen sollen. Weil sie ganz eindeutig keine Schönheit war. Warum hatte sie dem Mann bereitwillig geglaubt, als er ihr erklärt hatte, sie wäre schön? Wenn sie einen Körper hätte, der die
Männer vor Verlangen in den Wahnsinn triebe, hätte sie das nicht schon längst gemerkt? Es war kaum zu glauben, was für eine hoffnungslose Närrin sie gewesen war.
Die Morgenluft war frisch und kühl, aber ihre Wangen brannten, als sie sich daran erinnerte, wie schamlos sie auf seine Zärtlichkeiten, seine honigsüÃen Worte, seine Küsse eingegangen war. Er hatte sicher innerlich frohlockt, da ihre Eroberung das reinste Kinderspiel gewesen war. Er war gestern Abend nicht gegangen, weil er sie, wie sie hatte glauben wollen, respektierte. Nein, er war gegangen, weil sie sich wie ein Stück Ton von ihm hatte formen lassen und bereit gewesen war, ihm jede Bitte zu erfüllen.
Zur Hölle mit Ihren Wünschen, Mr Scott.
Da sie nicht auf ihren Weg geachtet hatte, blieb sie plötzlich stehen, als sie merkte, dass sie bei der groÃen Achterbahn gelandet war. Hier an dieser Stelle hatte sie zum ersten Mal in die grauen Augen dieses Kerls geblickt. Augen, die sie dazu zwingen konnten, sich vollkommen anders zu benehmen als normal. Ein ihr selber völlig fremder Mensch zu sein.
Sie stellte sich ihn vor, wie sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, und im selben Augenblick wurde ihr klar, dass das, was sie empfand, nur zur Hälfte heiÃer Zorn auf diesen Menschen war. Der Rest war bittere Verzweiflung. Denn sie hatte echte Zuneigung zu diesem Mann entwickelt und hätte sich um ein Haar sogar in ihn verliebt. Warum, Tyler?, fragte sie das Bild, das sie vor ihrem geistigen Auge sah. Warum wolltest du
mich nur benutzen? Warum hast du mich nicht ganz einfach um meiner
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