Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
kurz vor einer uns wichtigen Aufgabe zurückgreifen können.
Auch konkrete Pläne, die man geschmiedet und für gewöhnlich dann parat hat, wenn man den Rubikon überquert hat (also, wenn man sich für ein Ziel entschieden hat, siehe Prinzip 5), wirken Ermüdungserscheinungen entgegen. Hat man sich vorher zurechtgelegt, was man im Falle der Selbstbeherrschung wie und wo zu tun hat, fällt sie uns leichter. Viele von uns wissen, dass es ratsam ist, wenn wir bittere Medizin schlucken müssen, die Nase zuzuhalten oder an etwas Schönes zu denken. Wir wissen, dass wir die angebrochene Chipstüte besser in den Schrank räumen, weil wir sonst versucht sind, zu viel davon zu essen. Solche kleinen und feinen Pläne, die leicht abrufbar sind, erleichtern dem Muskel Selbstkontrolle die Arbeit bzw. können die Leistung des Muskels sogar erhöhen.
Neuere Befunde zeigen, dass, wie bei einem wirklichen Muskel auch, Zucker bei der Selbstkontrolle hilft. Matt Gailliott und Kollegen gaben Versuchsteilnehmern Diät-Brausen oder nicht kalorienreduzierte Zucker-Brausen. Wie sich herausstellte, unterstützt Zucker die Lösung von Aufgaben, in denen Selbstkontrolle gefragt ist. So konnten Versuchsteilnehmer besser ungewünschte Gedanken unterdrücken, ließen sich weniger durch interessante Bilder oder Informationen bei der Bearbeitung von Leistungsaufgaben ablenken und konnten sich besser konzentrieren. Auch die oft beschriebene Farbnennaufgabe konnten sie besser bewältigen. Dabei wussten die Probanden nicht, was sie da tranken, d.h., man kann nicht von einem psychischen Einfluss des Zuckers auf die Selbstkontrolle ausgehen.
Was nicht heißen soll, dass Sie sich jetzt einen Schokoriegel nach dem anderen gönnen sollen! Weit gefehlt, denn Glukose wird viel besser und nachhaltiger durch Vollkornbrot und, wie Popeye uns lehrte, Blattspinat und anderes Grünzeug bereitgestellt. Die Befunde zeigen vor allem, wie viel Fleisch an der Muskel-Metapher sitzt. Wer seinen Muskel nicht stählt und ihn nahrungstechnisch falsch versorgt, indem er ständig zu wenig isst, der kann sich nicht vor letztlich unerwünschten Verlockungen schützen. Auch geistige Leistungen benötigen Glukose. Andernfalls können wir uns nicht konzentrieren. 61
Wer allerdings eine positive Sicht auf sich selbst hat, braucht keinen Zucker. Daphne Wiersema von der Universiteit van Amsterdam zeigte, dass ein hoher Selbstwert an sich eine Ressource ist. Wenn Menschen im Allgemeinen von sich überzeugt sind, stärkt sie das und macht es ihnen leichter, sich negativem Feedback zu stellen – ebenfalls eine Aufgabe, für die man geistige Ressourcen und Selbstkontrolle benötigt. Man kann es auch anders ausdrücken: Ein hoher Selbstwert ermöglicht es, sich selbst für einen Moment zurückzustellen. Er ermöglicht es uns, über uns selbst dazuzulernen. Das gilt auch für Humor, der einem dabei hilft, sich selbst zu kontrollieren, und Ressourcen freilegt. Positive Stimmung öffnet den Zugang zum Selbst, sie aktiviert mehr Assoziationen im Gedächtnis als schlechte Stimmung und erlaubt einen Adlerblick auf die Dinge.
Was Dr. Roy genau auf dem Baum zu suchen hatte, haben wir bis heute nicht herausgefunden. Er lachte sich jedenfalls kaputt, als wir so verdattert zu ihm hoch starrten. Wer weiß, vielleicht wollte er sich einfach einen Spaß erlauben, bevor die anstrengende, ernste Konferenz losging. Oder er wollte sich einfach mal nicht benehmen und gab seinem Muskel Selbstkontrolle auf dem Baum eine entspannende Massage.
Warum Hitchcock doch Recht hatte
Aber wir sind mit der Muskelmetapher noch nicht am Ende. Denn so wie Muskeln sich nachhaltig stärken und aufbauen lassen, lässt sich auch Selbstkontrolle trainieren. Dr. Roys Team schulte Versuchsteilnehmer darin. So baten die Psychologen einige der Probanden, bestimmte alltägliche Aktivitäten mit der nicht dominanten Hand (das ist dann meist die linke) auszuführen, eine Aufgabe, die erfahrungsgemäß viel Selbstkontrolle erfordert. Tatsächlich wurde der so trainierte Muskel Selbstkontrolle (und nicht nur der der linken Hand!) mit der Zeit stärker, und die Versuchsteilnehmer konnten sich auch bei anderen Aufgaben besser und länger disziplinieren.
Ab wann eine hohe, antrainierte Selbstkontrolle schädlich oder nützlich ist, muss noch genauer geklärt werden. Nehmen wir einmal das sozial höchst relevante Beispiel der Aggression. Hat man nämlich spontan Aggressionen unterdrückt und damit Selbstkontrolle ausgeübt, gibt es
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