Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
ihm. Schließlich werfen jüngste psychologische Befunde ein neues Licht auf Arbeitstiere wie ihn. Sie zeigen nämlich, dass dieses Verhalten nicht unbedingt ein unbewusstes Desinteresse an der Familie bedeutet. Es kann schlichtweg sein, dass solche Menschen einfach besonders konzentriert ihre Pflicht tun. Und es ist sogar nicht auszuschließen, dass ein Arbeitstier seine Familie ganz besonders liebt, denn paradoxerweise ist die Hemmung am größten, wenn beide Ziele extrem wichtig sind. Es klingt wie ein Satz aus einem zweitklassigen Chanson, aber: Wären ihm Familie und Frau egal, müsste er sie nicht vergessen.
Natürlich kann man Leute auch mit der Neandertalmethode auf andere Notwendigkeiten aufmerksam machen. Irgendwann kann selbst der konzentrierteste Koch Raouls klägliches Gejaule nicht mehr überhören. Und, so blöd es klingt, ein Anruf im Büro, wenn er mal wieder zu einem arbeitsintensiven Projekt nicht Nein sagen konnte, ist nicht die schlechteste Idee; »nicht anrufen und hinterher beleidigt sein« ist erstens zickig und zweitens wenig zielführend. Unser Gedächtnissystem für Ziele ist flexibel, einfach, aber nicht mechanisch, und das macht es so faszinierend. Durch gezielte, bewusste Interventionen können wir den Autopiloten anderer einfach ausschalten. Unser Autopilot spielt ja bei der Selbstkontrolle sowieso eine höchst merkwürdige Rolle, denn er hat hier zwei Ziele vor sich: Apfel (der unmittelbare Impuls) oder Ewigkeit (das hehre Ziel). Viele würden denken, dass er vor allem unseren Impulsen den Vorrang gibt, denn impulsgesteuertes Verhalten kommt ohne Nachdenken und Beteiligung von Willen und Bewusstsein aus. So wie wir schlafwandlerisch die vor uns liegenden Chips in uns hineinstopfen, sollte uns alles, was uns konkret anspricht, eher anziehen, als das, was wir nicht so konkret vor uns sehen, weil es in weiter Ferne liegt (z. B. die Bikinifigur). Jedoch haben wir schon vorher gesehen, dass es sich hier nicht um ein primitives Modell handelt, sondern dass Programme immer wieder an die Realität angeglichen werden und uns so bei der Bewältigung komplexer Probleme helfen. Man kann den Autopiloten sehr wohl so programmieren, dass er eher auf das hehre Ziel zusteuert als auf die Versuchung. Bei der Verwirklichung höherer Ziele unterstützen uns Prozesse im Gedächtnis, alternative Ziele zu hemmen.
In Shahs und Kruglanskis Studien wurden Ziele gleicher Wichtigkeit miteinander verglichen. Wie aber verhält es sich mit Zielkonflikten, wie den eingangs beschriebenen, wo ja ein durchaus wichtiger Diätwunsch von einem eher unwichtigen, aber attraktiven vor uns liegenden Stück Kuchen sabotiert wird? Oder dem zwischen einem so hehren Ziel, ökologisch zu leben, und dem inneren Schweinehund, der absolut nicht im Regen zu den Glascontainern gehen will, sondern schwanzwedelnd vor dem normalen Mülleimer steht – in dem dann auch wir heimlich und mit rabenschwarzem Gewissen unsere Flaschen entsorgen? In Entscheidungen, die sich zwischen hohen Zielen und niedrigen Verlockungen abspielen, steckt etwas mehr Konfliktpotenzial als in einer Entscheidung zwischen zwei eher gleichwertigen Zielen. Hier haben wir es mit zwei entgegengesetzten Kräften zu tun: Auf der einen Seite will man das eine, auf der andere darf oder will man es gerade nicht; man steckt in einem Annäherungs-/Vermeidungskonflikt. Während man sich bei Konflikten zwischen zwei gleichwertigen Zielen vielleicht noch unbewusste Hemmungsprozesse vorstellen kann, ist es fast selbstverständlich, dass einem der Konflikt umso mehr bewusst wird, wenn man sich zwischen zwei sich im Wege stehenden Zielen oder Impulsen entscheiden muss.
Dr. Roy hat schon recht: Solche Akte der Selbstkontrolle setzen häufig einen starken Willen und damit auch ein Bewusstsein voraus – oder sie benötigen ein besonders aufwändiges Unterprogramm, von dem später noch die Rede sein wird. Jedenfalls ist es generell nützlich, dass Menschen in diesem Falle ihren Autopiloten ausschalten und selbst das Ruder übernehmen können, denn Selbstkontrolle ist in bestimmten Fällen schlecht zu automatisieren, sie benötigt Energie und Zeit. So ist es auch kein Zufall, dass wir vor allem dann, wenn wir müde oder unaufmerksam sind, Versuchungen erliegen. Wir gehen nachts zum Kühlschrank und genehmigen uns die in Hassliebe zugetane Schokoschnitte. Wir essen dann den letzten Müsliriegel auf dem Milford Track, wenn wir vom Alkohol der Stewardessen beduselt sind. In solchen
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