Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
welcher Situation man sich befindet, wird mal das eine, mal das andere aktiviert. Denn: Unterschiedliche Umgebungen erfordern häufig unterschiedliche Verhaltensstrategien. Das können Autopiloten bei Segelschiffen auch: Sie reagieren auf gute und schlechte Winde. Und wie beim Schiff würde unser mentaler Autopilot mal vorsichtiger sein oder mal mit Schwung darauf zugehen. Das erlebt man insbesondere dann, wenn man in eine andere Stadt oder in ein anderes Land zieht.
Als ich vor einigen Jahren meine Arbeit in Amsterdam aufnahm, fühlte ich mich so frei wie selten zuvor. Ich hatte das Gefühl, dass man hier vor allem darauf schaut, was jemand erreicht, und weniger auf die Fehler, die jedem einmal unterlaufen. Das Glas schien immer halbvoll, selten halbleer. Erfolge wurden gefeiert, über Misserfolge wurde hinweggesehen. Gefragt waren Kreativität und neue Ideen, die sofort mit allen diskutiert wurden. Soziale Normen wurden zwar als Basis für ein gutes Miteinander verstanden, waren aber selten Selbstzweck. Und nicht nur die Universität, sondern die ganze Stadt funktionierte so und profitierte davon: Das kulturelle Leben boomte, es gab atemberaubende Architekturprojekte zu sehen – und städtevergleichende Analysen belegten, dass Amsterdam weltweit die Stadt mit dem höchsten Kreativpotenzial war. Hier lebte man riskant, einfallsreich, schnell.
Es war dann spannend und erschütternd zugleich zu erleben, wie sehr die Stadt einer zunehmenden »Vertrutting«, also Verspießerung anheimfiel. Durch die Wirtschaftskrise und einige gesellschaftliche Geschehnisse, wie das Aufkommen der Rechtspopulisten, ist dieser Promotion-Fokus binnen weniger Jahre einem konservativen Prevention-Fokus gewichen. Die jungen Künstler sind längst in Berlin, die Homosexuellen fühlen sich ausgegrenzt und sind in alle Winde zerstreut, und die Stimmung ist eindeutig frustriert. Da bleibt nur zu hoffen, dass das so schnell wieder vorbeizieht wie die Amsterdamer Sommerwinde!
Belohnen oder bestrafen
Zusammen mit Tory Higgins haben andere Kollegen und ich gezeigt, wie diese Verhaltensmuster wechseln können. In einem Experiment an der Universität Würzburg versetzten wir Versuchspersonen jeweils in einen Promotion-Fokus oder in einen Prevention-Fokus, indem wir sie baten, dieselbe Aufgabe, ein Malen-nach-Zahlen-Bild 21 zu bearbeiten, ihnen jedoch verschiedene Anreize gaben. Wir legten den Versuchspersonen drei Bilder vor, für die sie jeweils 30 Sekunden Zeit hatten und dabei sowohl genau als auch schnell sein sollten. »Genau« bedeutete, exakt durch die Punkte zu gehen und dabei keinen zu überspringen; »schnell« bedeutete, innerhalb der angegebenen Zeit das Bild möglichst weit fertigzustellen. Wir sagten den Teilnehmern nachdrücklich, dass sie nur dann eine gute Leistung erbracht hätten, wenn sie schnell und genau wären. Den Versuchsteilnehmern, die in einen Promotion-Fokus kommen sollten, stellten wir als Belohnung eine zusätzliche D-Mark in Aussicht. Die Versuchsteilnehmer, die in einen Prevention-Fokus kommen sollten, informierten wir, dass sie bei schlechter Leistung auf eine Mark ihres Versuchspersonengeldes verzichten müssten.
Anhand dieser Aufgabe konnten wir gleich zwei Vorhersagen testen: Wir erwarteten, dass die Teilnehmer im Promotion-Fokus schnell, aber ungenauer waren, und die im Prevention-Fokus langsam, aber genauer. Und so war es dann auch. Die Leute, die sich eine Belohnung erhofften, malten viel eher das Bild in der vorgegebenen Zeit aus, machten jedoch auch Fehler dabei: Sie strichen die Punkte nicht sauber durch, obwohl wir sie ausdrücklich darum gebeten hatten, und übersprangen hier und da eine Zahl. Die Leute im Prevention-Fokus, die eine Bestrafung befürchteten, kamen allesamt nicht weit; das, was sie aber geschafft hatten, war beinahe perfekt. Um sicher zu gehen, dass unsere Befunde nicht allein mit der Aufgabe oder den Würzburger Probanden zu tun hatten, wiederholten wir die Versuchsanordnung mit anderen Aufgaben in New York. Wir ließen die Teilnehmer einen Text korrigieren und werteten aus, wie viele Fehler sie gefunden hatten und wie weit sie in der vorgegebenen Zeit gekommen waren. Das Ergebnis deckte sich mit dem in Würzburg: Im Promotion-Fokus kamen die Versuchsteilnehmer weiter im Text voran, übersahen aber viele Fehler, während sie im Prevention-Fokus langsam, aber sehr gewissenhaft arbeiteten. Mit anderen Worten: Schnelligkeit geht häufig zu Lasten von Genauigkeit. Auf den
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