Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
Sprint Richtung Zielgerade insbesondere darauf, nichts falsch zu machen. In diesem Fall versagt jedwede hedonistische Theorie, denn ein Hedonist nähert sich allein dem Guten an und vermeidet das Schlechte. Hier aber läuft jemand vermeidend auf etwas zu. So ein Verhalten ist nicht ungewöhnlich. Während die einen am Tag vor der Prüfung versuchen, jeder Störung aus dem Weg zu gehen (indem sie etwa nicht ans Telefon gehen und die Verbindung zum Internet kappen), und sich darauf konzentrieren, »nichts von dem zu vergessen, was wichtig sein könnte«, also insgesamt (Fehler-)vermeidende Verhaltensweisen an den Tag legen, zeigen andere ein annäherndes Verhalten: Sie wiederholen zielstrebig den wichtigen, schwierigen Stoff und nehmen dann ein Bad, damit sie gut schlafen können. Dementsprechend lautet Higgins These: Man kann auf ein und dasselbe positive Ziel hinarbeiten und gleichzeitig unterschiedlichen Verhaltensmustern folgen, die entweder annähernd oder vermeidend sind.
Wie aber kommt es zu solchen Unterschieden im Verhalten? Higgins nimmt an, dass Menschen zwei Persönlichkeitstypen herausbilden können: Davon zeigt der eine Typ vorwiegend annähernde Verhaltensweisen, während der andere vermeidende bevorzugt. Beide Typen entspringen zwei menschlichen Grundbedürfnissen; während den einen Typ ein Bedürfnis nach körperlichem und geistigem Wachstum und Selbstverwirklichung antreibt (annähernde Verhaltensweise), liegt dem anderen ein Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz zugrunde (vermeidende Verhaltensweise). Keine Frage, wir brauchen beides und können weder ohne das eine noch ohne das andere sein, wobei bei manchen Menschen das Sicherheitsbedürfnis stärker ausgeprägt ist, während bei anderen das Wachstumsbedürfnis überwiegt. Higgins nennt die Ausrichtung bzw. den Fokus auf Ideale und Selbstverwirklichung, den ein Mensch in einer Situation der Sicherheit hat, einen Promotion-Fokus . Im Promotion-Fokus beschäftigen sich Menschen mit Idealzielen . In Situationen von Unsicherheit haben Menschen dagegen einen Prevention-Fokus , in dessen Zentrum Pflichtziele stehen.
Je nach gesellschaftlichen Strukturen, Erziehungsmethoden und Situationen wird mal das Bedürfnis nach Schutz (also ein Prevention-Fokus) wachgerufen, mal das nach Selbstverwirklichung (also ein Promotion-Fokus). So sagen meine Eltern, dass sie nach dem Krieg vor allem mit dem nackten Überleben beschäftigt waren und weniger mit Zielen wie »Selbstverwirklichung«, etwas, was aus damaliger Sicht völlig überflüssig war. Ein Job, eine Geldanlage, eine Beziehung mussten vor allem sicher sein, man wollte kein Risiko eingehen. Zudem hielt man sich stark an bestehende Normen und »Manieren«, vermied es, aus der Reihe zu tanzen, und suchte so auch Sicherheit im sozialen Miteinander. Umso mehr musste diese Generation kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, dass sich bei ihren Kindern, die im relativen Wohlstand großgeworden waren, ganz andere Bedürfnisse regten: Sie wollten sich plötzlich selbst verwirklichen und gaben Geld für gelbe Schuhe aus.
Haben wir ein Bedürfnis nach Sicherheit, so denken wir vor allem daran, welche Fehler bei der Zielerreichung passieren können, und legen ein eher vermeidendes, vorsichtiges Verhalten an den Tag, um (wieder) Sicherheit herzustellen. Ein Prevention-Fokus kann durch alles Mögliche geweckt werden. Es muss nicht gleich Krieg herrschen, damit Menschen vermeidend und vorsichtig werden. Auch Krisen und problematische Situationen reichen manchmal schon aus, um mögliche Gewinne aus den Augen zu verlieren und alles dafür zu tun, Fehler und Verluste zu vermeiden. So zum Beispiel bei der letzten großen Wirtschaftskrise. Die Angst, Geld zu verlieren, die Unsicherheit, was mit dem Geld geschieht, das auf unseren Banken liegt, und die ständige Konfrontation mit dem Thema in den Medien hat Millionen von Menschen monatelang davon abgehalten, größere Anschaffungen – wie ein Auto oder eine Immobilie – zu tätigen. Aber selbst die, die die Krise gar nicht persönlich erreicht hatte, legten plötzlich ein die Wirtschaft schwächendes Konsumverhalten an den Tag. Aus Angst vor Armut versiegten die Investitionen, die eine lebendige Wirtschaft gesund halten – und schon ist die Krise erst recht da, selbst dann, wenn die Angst davor übertrieben oder gar grundlos ist. Es gibt kaum ein besseres Beispiel für eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Fassen wir zusammen: Unsicherheit, egal wodurch sie produziert
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