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Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Titel: Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Keysers
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Herzfrequenz steigt, sie ein bisschen schwitzen, ihr Körper sich verspannt und sie ein Kribbeln auf den Armen fühlen, als würde die Spinne dort ihre Krallen ansetzen. Wir fühlen uns mit James Bond verbunden, das heißt, wir fühlen, was er fühlt. Aber warum? Warum bewegen uns die bewegten Bilder so sehr? Warum löst der Anblick eines Films bei uns, die wir gemütlich auf dem Sofa in unserem Wohnzimmer sitzen, physiologische Reaktionen aus, die nur angebracht wären, wenn wir uns selbst in Gefahr befänden?
    Natürlich feiern wir nicht an jedem Tag Hochzeit, und zum Glück werden wir auch nicht ständig von überdimensionalen Spinnen angegriffen. Doch täuschen wir uns nicht. Selbst in der Routine des Alltags würden wir auf die Fähigkeit, uns in andere einzufühlen – ihre Emotionen zu verstehen –, sicherlich nicht verzichten wollen. Ohne diese Fähigkeit würde das soziale Leben zweifellos zusammenbrechen.
    Wenn ich morgens aufwache und meine Frau Valeria anschaue, muss mein Gehirn augenblicklich eine Reihe komplizierter und für meine Ehe lebenswichtiger Fragen beantworten, etwa: Was verbirgt sich hinter ihrem schläfrigen Gesicht? Der Wunsch nach einer Umarmung, weil sie gerade aus einem bösen Traum erwacht ist? Die unausgesprochene Bitte, dass ich das Frühstück mache? Am Arbeitsplatz muss ich entscheiden, ob mein Dekan in der richtigen Stimmung ist, sodass ich das Sabbatjahr von ihm erbitten kann, das ich brauche, um dieses Buch zu schreiben. Zu Hause würde ich mich liebend gern aufs Sofa fallen lassen, muss aber herausfinden, ob Valeria das Angebot zu kochen ernst meint oder das Abendessen in Wahrheit von mir erwartet. Den ganzen Tag hindurch hängt der Erfolg in Beziehungen und Berufstätigkeit von unserer Fähigkeit ab, die Emotionen und Befindlichkeiten anderer zu erkennen. Sehr häufig gelingt es uns, die innere Verfassung anderer nachzuempfinden, obwohl sie diese zu verbergen trachten. Wir spüren die Traurigkeit hinter einem künstlichen Lächeln oder die fragwürdigen Absichten hinter scheinbar großzügigen Handlungen. Wie machen wir das? Wie gelingt es uns, zu fühlen, was eigentlich verheimlicht werden soll?
    Die moderne Hirnforschung begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einer Reihe grundlegender Fragen: Wo die Sprache im Gehirn lokalisiert ist, wie wir uns etwas merken und wie unser Gehirn unseren Körper bewegt. Mehr als hundert Jahre später, in den achtziger und neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts, wandte man sich den Emotionen zu. Doch nach wie vor wurde fast ausschließlich an einzelnen Individuen geforscht. Die Frage, wie wir die Gedanken anderer lesen und von ihren Gefühlen beeinflusst werden, blieb weitgehend ausgeklammert.
    Und das mit gutem Grund. Man verzichtete darauf, das Gehirn bei sozialen Interaktionen zu untersuchen, weil dies sehr schwierig ist. Komplexe menschliche Interaktionen lassen sich kaum erfassen, indem man Tiermodelle verwendet oder eine einzelne Person beobachtet, die unbeweglich in einem Hirnscanner liegt.
    Außerdem interessierte sich lange Zeit niemand für die Frage, da sie trivial erschien. Die meisten Kinder können schon mit sieben Jahren hervorragend die Gefühle anderer erkennen, und wenn wir die Gefühle unserer Mitmenschen nachempfinden oder teilen, geschient dies meist ohne unser bewusstes Zutun. Sie müssen nicht überlegen, um zu verstehen, was Bond durchmacht, wenn ihm die Spinne über die Haut kriecht, weil Sie ihn intuitiv verstehen. Die Aufgabe scheint so leicht, so trivial zu sein – verglichen mit »schwierigen« Dingen wie der Integralrechnung, die praktisch kein Mensch vor seinem sechzehnten Lebensjahr bewältigen kann –, dass wir diese Fähigkeit selbstverständlich hinnehmen. Paradoxerweise sind Computer seit den fünfziger Jahren zur Integralrechnung fähig, während sich die Aufgabe, festzustellen, ob jemand Glück oder Furcht empfindet, als so schwierig erweist, dass kein moderner Computer oder Roboter des 21. Jahrhunderts dazu in der Lage ist. Warum fällt uns das Verstehen anderer Menschen, das Computern so viel Mühe bereitet, leichter als Aufgaben wie die Integralrechnung, die Computer im Handumdrehen erledigen?
    Genau betrachtet, müsste es eigentlich sehr schwer sein, andere Menschen zu verstehen. Das menschliche Gehirn ist wohl das komplexeste Organ im bekannten Universum. Und doch spüren bereits Siebenjährige, dass sie mühelos erfassen können, was im Geist – und damit im Gehirn – der Menschen

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