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Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Titel: Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Keysers
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dieses Neurons, das damit ein sendendes Neuron wird. Zweitens ist das Aktionspotenzial ein so starkes elektrisches Ereignis, dass es von einer kleinen Elektrode aufgefangen werden kann, die man unweit dieses Neurons ins Gehirn eingeführt hat. Verstärkt und an einen Lautsprecher weitergeleitet, erzeugt es das »knallende« Geräusch, das wir in unserem Labor hören. Je mehr Input eine Zelle erhält, desto öfter kommt sie über die Reaktionsschwelle und erzeugt den Knall. Die Häufung dieses Schallereignisses lässt das charakteristische Geräusch eines Gewehrfeuers entstehen, das eine hohe Neuronenaktivität anzeigt. So können wir erkennen, wie groß die Erregung eines Neurons ist, das heißt, wir können eine Vorstellung von der Aktivität an diesem Punkt der Verarbeitungskette gewinnen.
    Neben den exzitatorischen (erregenden) Synapsen, die die Aktivität einer Zelle verstärken, gibt es andere Synapsen, die sogenannten inhibitorischen (hemmenden) Synapsen, die den gegenteiligen Effekt haben, die also die Aktivität der empfangenden Nervenzelle verringern.
    Das Gehirn enthält rund einhundert Milliarden Neuronen (eine eins mit elf Nullen), die durch 10 15 Synapsen verbunden sind, und das Muster dieser Verschaltungen bestimmt die Funktionen des Nervensystems (vgl. Abbildung 1.1). Wenn ein Neuron einen exzitatorischen Input von einem anderen Neuron, das auf einen senkrechten Balken reagiert erhält und von einem weiteren, das auf einen waagerechten Balken anspricht, feuert es in der Regel, wenn es ein Plus-Zeichen sieht. Empfängt ein ähnliches Neuron exzitatorische Inputs von dem Neuron, das auf waagerechte Balken reagiert, jedoch inhibitorischen Input von dem auf einen senkrechten Balken ansprechenden Neuron, reagiert es nicht mehr auf ein Plus-Zeichen, sondern auf ein Minus-Zeichen. Entscheidend ist dabei, dass sich die Plus-Detektorzelle nicht von dem Minus-Detektor unterscheidet; die Differenz ist durch das Verschaltungsmuster mit anderen Neuronen gegeben.

    Abbildung 1.1
    Ein Schaltschema, das veranschaulicht, wie ein und dasselbe Neuron (oben) entweder als »+«-Detektor fungieren kann, wenn es exzitatorischen Input von zwei visuellen Neuronen empfängt – das erste auf einen waagerechten und das zweite auf einen senkrechten Balken reagierend –, oder als »–«-Detektor, wenn es von jenem Neuron exzitatorischen und von diesem inhibitorischen Input erhält.
    Die Physiologen David Hubel und Torsten Wiesel haben als erste Elektroden in die Gehirne von Affen implantiert, die die Aktivität einzelner Neuronen aufzeichnen konnten. Im okzipitalen Kortex, im hinteren Kopfbereich, fanden sie genau den oben beschriebenen Detektortyp. Doch als sie die Elektroden einsetzten, wussten sie nicht, welche Verbindungen die betreffenden Neuronen aufwiesen und mit welchem Reiz sich ihre Aktivität steigern ließ. Da war ein wenig Detektivarbeit erforderlich, weil es eine Riesenzahl von Reizen gibt, die sich auf eine bestimmte Zelle anwenden lassen. Eine Zelle könnte am heftigsten auf Bilder oder auf Geräusche, Tasterlebnisse, Gerüche, Bewegungen oder auf eine Kombination dieser Sinnesreize reagieren. Vielleicht spricht ein bestimmtes Neuron auf den Geschmack von Zucker an; doch Sie können den ganzen Tag mit dem Vergleich von senkrechten und waagerechten Balken verbringen, ohne der Erkenntnis, dass für dieses Neuron ein süßer Geschmack der geeignetste Reiz ist, einen Schritt näherzukommen.
    Die Entdeckung der Spiegelneuronen ließ so lange auf sich warten, weil es unmöglich war, alle denkbaren Reize zu testen. Die Zellen liegen im prämotorischen Kortex, wo fast alle Neuronen reagieren, wenn der Affe bestimmte Handlungen ausführt, also beispielsweise nach einer Rosine greift. Niemand kam auf die Idee, sich vor den Affen hinzustellen, um auszuprobieren, ob die Neuronen auch auf eine vollkommen andere Klasse von Reizen reagieren: den Anblick von jemand anderem, der eine Rosine nimmt. Stellen Sie sich vor, Sie würden in einem Supermarkt nach Wein suchen, in einen Gang hineinblicken und sehen, dass in allen Regalen Bierflaschen stehen. Da kämen Sie doch sicherlich nicht auf die Idee, hinter dem Bier nach versteckten Weinflaschen zu suchen.
    Als der Versuchsleiter einmal eine Rosine nahm, um sie dem Affen zu geben und so zu prüfen, ob ein bestimmtes Neuron feuerte, wenn der Affe einen kleinen Gegenstand ergriff, bemerkte die Gruppe in Parma zufällig, dass das Neuron auch reagierte, während der Forscher die Rosine

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