Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Titel: Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bente Varlemann
Vom Netzwerk:
Bayer und Grimhild seine Frau. Ja, die beiden würden gut zusammenpassen. Happy, happy, joy, joy.
    Meinen Namen sagt Holger ständig. Bente hier, Bente da, Bente tralala. Wahrscheinlich, weil wir uns nicht in einer lauten Bar kennengelernt haben. Da passiert es nämlich immer wieder, dass ich in fragende Gesichter schaue. Oder der andere brüllt mich an, nachdem ich meinen Namen gesagt habe, ob das mein Spitzname sei. Oder wie ich denn mit Vornamen heiße. Oder wie ich überhaupt heiße. Ab jetzt werde ich stets «Grimhild» antworten, dann passe ich auch zu Namen wie Holger, Rüdiger und Eberhardt. Holger hat «Bente» aber im grellen und leisen U-Bahn-Zug sofort verstanden, und so ruft er ständig meinen Namen. Er ist wie der kleine Mann im Ohr, nur dass Holger nicht in meinem Kopf existiert, sondern ständig irgendetwas von mir will. «Bente, wollen wir eine DVD gucken?», «Bente, kannst du mal bitte das Fenster zumachen?», oder auch: «Bente, ich werde dich jetzt küssen.» Ich fühle mich wie in einem schlechten Sketch, wo die Wörter so oft wiederholt werden, dass Komik entsteht. Bente, Bente, Bente, Bente, Bente, Bente, Bente. Haha.
    «Wollen wir noch zu mir?», fragt mich Holger nach dem Essen. Ich freue mich, dass er diesmal nicht meinen Namen ausgesprochen hat, nicke, und Holger sagt: «Na, das ist doch schön, Bente!» Ja, denke ich, ja, das ist ganz toll, Holger. Ich glaube, er findet seinen Namen toll und will mich durch die Wiederholung meines Namens subtil dazu zwingen, seinen zu sagen. Ein innerer Holger-Druck baut sich in mir auf, ich kann kaum standhalten und presse ein «Holllggerrrische Schmerzen» hervor, weil mir beim Formen der Lippen schon alles wehtut. Ich kann das nicht. Ich kann es einfach nicht. Holger scheint meinen inneren Kampf nicht bemerkt zu haben, er schaut mich nur an, lächelt und sagt: «Na, Bente, dann kann ich dich ja nachher ein bisschen massieren.» Genau, so wird’s gemacht, denke ich. Genau so wird es später tatsächlich auch gemacht, ich werde massiert, und dann hab ich eh fast nichts mehr an, und dann haben wir Sex. Ich muss ja auch mal keinen Namen dabei sagen, beruhige ich mich, weil ich Angst habe, versehentlich «Benjamin» oder so zu rufen, weil ich das H-Wort nicht über die Lippen bekomme.
    Ich ignoriere sein «Bente, findest du’s auch schön?». Ich konzentriere mich auf den Liebesakt an sich, denke über das Wort «Liebesakt» nach und ignoriere auf diese Art auch sein «Bente, du machst mich sooo heiß, Bente». Dann kommt nicht er und auch nicht ich, sondern ein «Bente, kannst du, Bente, bitte, dein Bente-Bein mal anwinkeln, Bente?», und ich werde wütend und sage, dass er jetzt gefälligst mal die Schnauze halten soll und ob wir jetzt bitte einfach ficken könnten. Genau das machen wir.
    Danach liegen wir ordentlich gevögelt nebeneinander, und Holger schmeißt das Kondom über mich hinweg auf den Boden. Ich denke noch, na, hier ist aber die Decke undicht, oder warum tropft das so? Und bemerke dann, dass das Kondom wohl ein Leck haben muss, denn das, was da auf mir ist, ist kein Wasser, sondern Sperma. Ich sage leise: «Guck mal, Holger, da ist was kaputtgegangen», und deute auf das Latex-Gummi auf dem Teppich. Holger schaut mich ungläubig an, vielleicht, weil ich das erste Mal seinen Namen gesagt habe, vielleicht, weil ihm so etwas zum ersten Mal passiert ist. «Aha», sagt er. Ich schaue ihn fragend an, aber er schweigt. «Es muss ja nichts passiert sein, aber ich sollte wohl lieber zum Arzt gehen und mir die Pille danach geben lassen», sage ich. «Ja, mach das», sagt Holger. «Die kostet vierzig Euro», sage ich, «kannst du mir dann einfach die Hälfte geben?»
    Holger fragt, ob ich die Pille danach öfter nehme, ich würde mich ja so gut mit den Preisen auskennen. Ob ich nicht einfach die normale Pille nehmen könnte, damit Männer wie er nicht in diese Situation geraten würden. Ob ich denn auch mit fünfzehn Euro zufrieden wäre, mehr hätte er nicht im Haus.
    Ich nehme die fünfzehn Euro und fühle mich unverstanden. Das ist doch nicht meine Schuld, denke ich. Das ist einfach passiert, so etwas passiert nun mal. Ich finde Holgers Namen nicht nur scheiße, ich finde den ganzen Holger scheiße. Ich suche meine Sachen zusammen, es ist schon spät, aber ich kann nicht hierbleiben. Ich verabschiede mich nicht. Als ich die Treppe hinabgehe, wiegen die fünfzehn Euro in meiner Tasche mindestens fünf Kilo, und ich werfe die zwei Scheine unten in

Weitere Kostenlose Bücher