Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)
dich meldest», freut sich Adii von Anja. «Was machst du heute Abend?» «Ähem», stottere ich. Das kam jetzt unerwartet, vor allem weiß ich immer noch nicht, wer Adii ist. Trotzdem sage ich, dass ich nichts vorhabe. Adii fragt, ob wir uns später auf dieser Kunst-Trash-Party sehen und uns nicht der Einfachheit halber am Eingang treffen wollen.
Als ich abends vor einem besetzten Haus, das früher mal ein Sauna-Club war, warte, bin ich mir ziemlich sicher, dass die Therapie in Sachen Angstbewältigung schon ziemlich viel Gutes mit sich gebracht hat: Ich habe einen Handyvertrag abgeschlossen, ein neues Telefon bestellt, Leuten Scheiße erzählt, eine Verabredung getroffen und bin kurz davor, auf eine illegale Party zu gehen. Egal, wer Adii von Anja wirklich ist, es geht mir gut, und dafür brauche ich keine Sicherheit, sondern einfach nur weniger Angst.
Kassetten
Als ich gerade nach Hamburg gekommen war, gab es vieles zu entdecken, weil vieles neu und aufregend war. Die Stadt, die Uni, die Partys und die anderen Menschen. Jetzt, wo ich schon einige Zeit hier bin, ist vieles langsamer geworden, ich kenne mich besser aus und mich selbst auch ein bisschen besser. Ich bin in keiner Beziehung, und selbst wenn ich es sehr wollen würde, erweist sich das in dieser Stadt als schwierig. In Hamburg jemanden für eine Beziehung zu finden ist mindestens so schwer wie eine bezahlbare Wohnung. Zuerst sollte man jemanden treffen, der einem gefällt. Im besten Falle gefällt man dem anderen auch. Oder umgekehrt. Mal sehen, wie das mit Adii wird.
Die Kunst-Trash-Party findet im Keller des Hauses statt, wo die jetzigen Bewohner nicht wirklich etwas am Interieur des ehemaligen Sauna-Clubs geändert haben. Der DJ steht in einer Spiegelecke, direkt vor dem Pult ist immer noch die Stange, an der sich früher jemand räkelte. Alles ist in roten Samt eingepackt, und irgendwer hat einen Kicker in ein Séparée gestellt. In den anderen Nischen oder da, wo eben Platz ist, steht Kunst.
Als ich Adii wiedersehe, kann ich mich nicht wirklich an ihn erinnern. Sein Gesicht und seine Stimme kommen mir bekannt vor, aber ansonsten ist da Ungewissheit und spontane Sympathie. Adii und ich unterhalten uns über seine Streichholzschachtelkunstwerke, trinken Bier und küssen uns irgendwann. Dann gehen wir die Straße runter zu Adii nach Hause. Er wohnt in einem abrissreifen Haus, ohne Heizung, dafür mit fließend Wasser. «Ist aber nur kalt», sagt er, und als ich das erste Mal pinkeln gehe, weiß ich, dass ich hier nicht nur nicht duschen werde, weil das Wasser kalt ist, sondern auch, weil das Bad aussieht, wie eine Bahnhofstoilette riecht: scheiße. Neben seinem Zimmer ist ein großer offener Raum, ein halbes Fahrrad steht in der Ecke, und eine blutverschmierte Gummipuppe hängt an einer Luftpumpe. «Darf ich das angucken?», frage ich, und Adii sagt: «Nee, sorry, das ist noch in der Mache.» «In der Mache», wiederhole ich in meinem Kopf, in der Mache, die haben sie doch echt nicht mehr alle, diese Künstler. «Was wird das denn?», frage ich, und Adii antwortet: «Das soll eine Kritik an der Schnelllebigkeit und der Übersexualisierung sein. Siehst du, die Luftpumpe steht für die Konzerne, die das Fahrrad, also die Mobilität, aufblasen, damit alles schneller und lukrativer wird. Dieselbe Luftpumpe, also die gleichen Konzerne, propagieren Sex sells, pusten also die Gummipuppe auf. Wir sind also alle vom Blasen abhängig!» Beim letzten Satz lacht Adii ganz laut und schielt zu mir rüber. Ah ja, denke ich, erst über Kapitalismus und Sexualität meckern und mir dann vermitteln, was er sich vom heutigen Abend erwartet. «Ja, Blasen krieg ich auch immer an den Füßen, wenn ich viel rumlaufe», sage ich, um das Gespräch in eine Richtung zu lenken, die einfach anders ist. Es bringt etwas, denn jetzt zeigt mir Adii das ganze Haus, aber nur, wie er vier Mal betont, wenn er dann, hahaha, Blasen kriegen würde. Ich lächle ihn an und mache ein Ich-kotz-gleich in die andere Richtung. Im Erdgeschoss ist ein Reifenlager ansässig, da lägen nur Reifen drin, sagt Adii, deswegen wäre das vollkommen unspannend. Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, dass hier vieles unspannend ist oder unspannend wird, weil Adii da ist. Wäre ich hier alleine, hätte ich das Bad geputzt, mich dann samt Gummipuppe und Fahrrad in das Reifenlager gechillt und gewartet, was noch so passiert.
«Das ist die Küche!», frohlockt Adii. Ich frage: «Wo?», und er sagt:
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