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Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Titel: Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bente Varlemann
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«Hier.» Wir stehen im Flur des Erdgeschosses, an den Wänden kein Putz, der romantisch bröckeln könnte, nur Wand, die einfach da ist, genau wie Adii, der auch einfach da ist. Da steht eine Kommode, auf der zwei elektrische Kochplatten liegen, darauf zwei Töpfe. «Darf ich das angucken?», frage ich, und Adii sagt: «Nee, sorry, das ist noch in der Mache.» «Was wird das denn?», frage ich und bin gespannt, ob das auch in irgendeiner abgefahrenen Weise Kunst ist oder ob Adii doch nur wieder auf das Blasen-Thema zu sprechen kommen will. Anscheinend habe ich mit dieser Frage etwas entfacht, was weder Kunst noch Sexualität beinhaltet. Adii nimmt beide Töpfe, das Besteck, welches in einer alten Thunfischdose lagert, und rennt los. Ich gehe langsam hinterher. Ich finde ihn im Badezimmer und sehe, dass Adii alles einfach in die Badewanne schmeißt. Ich werde hier niemals, niemals duschen, denke ich. Komme, was wolle. NIEMALS . «Ich hatte ganz vergessen abzuwaschen», keucht Adii. Dann nimmt er einen Schwamm, mit dem er wahrscheinlich auch sich und das Bad alle Jubeljahre mal abschrubbt, und schrubbt damit die Küchenutensilien.
    Ich werde hier niemals etwas essen, denke ich, niemals! Hätte ich ein Handy mit Kamerafunktion, ich würde die Szene filmen und als Kunst verkaufen: einen Mann, der in seiner Badewanne steht, mit Brause und Schwamm Essensrestverkrustungen löst und eigentlich eine Verabredung hat. Dann Zoom auf mein Gesicht, das nicht weiß, ob es den Beinen sagen soll, zu gehen, oder ihnen befehlen, stehen zu bleiben, weil es jetzt endlich spannend wird.
    «Hey!», sage ich, und ich hasse dieses «Hey!», weil sich da immer dieses «Naa?!» anschließt, und dann kann eine Unterhaltung nur grausam werden. Egal, irgendetwas muss passieren. «Ach, Scheiße», sagt Adii, «du bist ja auch noch da. Na, dann lass uns doch einfach Video gucken!» «Ja, okay», sage ich, «was hast du denn für DVD s?» «Nee, Video», sagt Adii. Wir gehen in Adiis Zimmer. Das ist schön. Das ist wirklich schön. Weiße Wände, ein Bett, ein Sofa mit Tischchen, ein Schreibtisch, ein Regal, alter Kontorhausfußboden, und es riecht weder nach Scheiße noch nach Räucherstäbchen. Eher nach frischer Wäsche, aber wie er das gemacht haben soll – keine Ahnung.
    Wir setzen uns auf das Sofa, davor steht ein umgebauter Einkaufswagen, in dem sich Videorekorder und Fernseher befinden. Es wird langsam schön. Adii wird auch langsam schön, weil seine Sachen und Haare trocknen. «Was hast du denn so für Filme?», frage ich, und Adii steht auf, geht zum Fenster, holt von der Fensterbank zwei Bier und neun Videokassetten. Ich schaue die Videos durch und trinke dabei mein Bier mit fünf Zügen leer. Die Videothek: «Sinn & Sinnlichkeit», «Grüne Tomaten», «Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit», «Cindy Crawford – The next challenge Workout», «König der Löwen» und vier Kassetten, wo irgendwas Privates drauf ist. «Oh, ist das alles, was du hast?», frage ich höflich mit panischem Unterton. «Im Rekorder ist noch ‹Fluch der Karibik›», sagt Adii und nippt an seinem Bier. Oha, denke ich, oha. Die ersten drei scheiden aus, weil ich nichts Schnulziges oder Sinnliches oder Lieb-Emotionales sehen will. Cindy Crawford, ja, das könnte ich mir vorstellen, aber nach der Badaktion möchte ich mir Adii nicht auch noch beim Workout ansehen. Zu «Fluch der Karibik» fällt mir nur die Ich-kotz-gleich-Geste ein.
    «Du hast bestimmt mal so ’ne Videoinstallation gemacht, oder?», frage ich. «Nee, sorry, die hab ich auf dem Sperrmüll gefunden.»
    Wir einigen uns schließlich auf «König der Löwen». Als der Löwenpapa von einer Horde Gnus totgetrampelt wird, weint Adii. Bei den Liedern singt er mit. Ich weiß, wo das Bier steht, und bei «Hakuna Matata» stimme ich lallend mit ein.
    Als der Film zu Ende ist, bin ich froh, dass er zu Ende ist. Ich ziehe eine Zwischenbilanz in Sachen Adii: Kunst = ja!, Performance = super!, Gefühle = sind da, wenn ein Zeichentricklöwe stirbt, Videoauswahl = dürftig, Küche/Bad = beides mittlerweile halbwegs sauber, trotzdem ekelig. Dreimal positiv, zweimal negativ. Gute Statistik.
    Adii lächelt und holt einen Karton, der bis zum Rand mit Kassetten gefüllt ist. Jetzt wird es anstrengend. Wir hören fünf Mixtapes, allesamt schrecklich, er hat nicht nur die Lieder, sondern auch sich singend mit aufgenommen. Zwischen den Songs moderiert er und sagt, er sei jetzt

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