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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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der Tür wahrgenommen hatte. An den Wänden auf der anderen Seite hingen Bilder, Ausdrucke der Überwachungskameras, Zeitungsausschnitte. Zwei vergrößerte Fotos erkannte ich auf den ersten Blick. Der Spreewald, ich, lachend am Tisch mit Felix’ Familie, im Nahkampf mit einem Stück Kuchen. Auf dem anderen saß ich auf den Stufen des Reichstags. Mein Blick schweifte verträumt in irgendeine Ferne, aber das täuschte. Ich erinnerte mich genau an den Tag. Ich war einfach total k.o. gewesen.
    Außer einem Sofa mit einem kleinen Beistelltisch gab es nur noch einen Kühlschrank, der leise vor sich hin brummte, einen schmalen hohen Holzschrank und eine zweite Tür.
    Am liebsten hätte ich die Bilder von der Wand gerissen, die Monitore zertrümmert, das Sofa zerfetzt, aber ich durchquerte einfach den Raum. Den Blick richtete ich auf die Tür. Links und rechts blendete ich aus.
    Die Tür war verschlossen. Ich rüttelte daran, schlug gegen das graue Metall, auf der anderen Seite hallte es. Ich griff nach dem Beistelltisch, schlug damit gegen die Tür, es war lächerlich. In Filmen gaben sie nach, ein paar Tritte, die Schulter des Polizisten, und sie waren offen. Diese hielt stand. Sie war aus dem gleichen Material wie die Türen der Zellen. Sie hatte kein Schlüsselloch. Auf der anderen Seite wurde sie von einem Riegel versperrt, den höchstens eine Stange Dynamit aus der Wand gerissen hätte.
    Rückwärts gehend bewegte ich mich von der Tür weg. Als ich den Schreibtischstuhl im Rücken spürte, setzte ich mich. Ich drehte mich zu den Bildschirmen. Der Stuhl quietschte. Dieses lästige Geräusch tat mir gut, wie abgedreht, dachte ich, ein Gewinde, das Öl braucht. Es tut dir gut. Es ist normal.
    Die verwaschenen blaustichigen Bilder auf den Monitoren waren nicht normal. Ich klappte das Laptop auf. Das Betriebssystem leuchtete und kündigte an, dass der Initialisierungsprozess im Gang sei, dann öffnete sich ein Menüfenster und verlangte die Eingabe eines Passworts. Ich tippte
Geronimo
ein. Falsches Kennwort.
Josie.
Falsch. Ich hatte es nicht anders erwartet. Ich erwartete überhaupt nichts.
    Ich ging zum Kühlschrank. Er enthielt ein paar Joghurts, Äpfel, zwei Packungen Lasagne, die man in der Mikrowelle erhitzen konnte, aber es gab keine Mikrowelle, Energydrinks, Wasser, Sandwichs.
    Ich trank und aß und starrte auf die Monitore. Auf jedem war unten die Uhrzeit eingeblendet. Viertel vor fünf. In den Zellen war es dunkel. Mein Kopf war so leer.
    Ich schaltete den großen Bildschirm ein, der aussah wie ein Fernseher, aber es erschienen nur sechs weitere Felder, Ausschnitte, die Bilder weiterer Kameras. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich den Weg, die Bäume, ein Tor.
    Der Monitor war in sechs Segmente unterteilt. Der Eingang zu einer alten Villa, eine Zufahrt, ein kleines Portal mit einem schmiedeeisernen Gitter, Wald, Sträucher, in einem ein Vogel, der von etwas aufgescheucht wurde, draußen, draußen, Luft. Er überwachte auch das Gelände um dieses Gefängnis. Baracken waren auf einem Ausschnitt zu erkennen.
    Fünf nach fünf zeigte die Uhr an, es musste morgens um fünf sein, es war noch nicht richtig hell.
    Draußen, Luft – ich hätte es am liebsten herausgeschrien, aber ich traute mich nicht. War ich in der Villa? Vielleicht im Keller, ja, so muffig, wie es hier war, die Belüftungsschächte, ich war im Keller! Oder in den Baracken?
    Ich rannte wieder zur Tür, trat dagegen. Ich hastete zurück zu der Schalttafel, schlug wild auf den Tasten herum. Die Bilder auf den kleinen Monitoren zuckten.
    Ich hatte die Beleuchtung in den Zellen eingeschaltet. Auf dem rechten sah ich das Chaos in meiner Zelle, die umgestürzten Möbel, den Staub und Schmutz. Der mittlere Raum war völlig leer, bis auf das Waschbecken, das auch hier in der Ecke hing. Der Bildschirm links zeigte eine Frau, die versuchte, sich von einer Pritsche zu erheben. Sie konnte sich nicht auf den Beinen halten und sackte zurück auf die dünne Matratze.

61
    Er öffnete das schmiedeeiserne Tor des Portals. Es ragte hoch hinauf. Die beiden geschwungenen Ornamente aus ehemals hellem Sandstein verbanden sich mindestens vier Meter über den Köpfen der Besucher zum doppelgesichtigen Haupt eines Fabelwesens mit einer menschlichen Fratze. In all den Jahren hatten Moose und Flechten die Gesichtszüge verwischt. Die Feuchtigkeit und das raue Klima der Gegend setzten jedem Gebäude, dessen sich niemand annahm, zu.
    Durch die Trockenheit und Hitze der letzten

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