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Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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aus dem Boot genommen und zu aller Überraschung entdeckt, daß es ein kleines Kind barg. Es lebte und streckte seine Händchen den fremden Menschen entgegen.
    >Ein Wunder!< rief alles durcheinander.
    Auch mich überliefs wie ein frommer Schauer. Das Kind der einzige Überlebende von dem Unglücksschiff!
    Im Lauf der Zeit wurde durch die Seeämter festgestellt, daß tatsächlich die Bark >Anne Mary< auf der Fahrt von Leith nach Memel verschollen sei: Von der übrigen Besatzung hat niemals jemand wieder etwas gehört. Eine Passagierliste fand man nicht. Des Kindes Eltern sind sicherlich bei dem Unglück ums Leben gekommen. Droste nahm es in seine Wohnung. Seine fromme Alte hielt es für ein Geschenk des Himmels an sie. Und seit nun vor Jahresfrist ihr Mann gestorben ist, hängt sie mit all ihrer Liebe an dem Knaben und hält ihn ganz wie ihr eigen.«
    »Und du?« fragte Arvelin.
    Der Freiherr lächelte in harmloser Abwehr. »Kindergeschrei ist nicht nach meinem Geschmack! Vielleicht, wenn der Junge größer wird ... Doch nein! - warum soll ich mich um ihn kümmern? Eine bessere Pflegemutter als die alte Droste könnte er nirgends finden!«
    *
    Jahre ... viele Jahre waren seit dieser Unterredung vergangen. Alt und grau waren die beiden Freunde geworden. Und in ihren Gemeinschaftsbund wuchs ein dritter hinein: Medardus Droste.
    Nicht lange, nachdem Arvelin Wohnung in Schloß Winterloo genommen, hatte er den Knaben aus seiner Verborgenheit gezogen, war ihm Spielgefährte und Lehrer geworden. Auch der Freiherr hatte, je weiter das Kind zum Jüngling wurde, immer größeres Interesse für ihn bewiesen. Fast schien es, als ob sich die beiden Alten eifersüchtig um die Zuneigung des jungen Medardus stritten.
    Da kam der große Streit zwischen der neuen Großmacht Brasilien und Venezuela. Auf die Kunde von den neuen Ölfunden hatte in Venezuela eine heftige Bewegung eingesetzt für ein Gesetz, das die Ausbeutung von Ölvorkommen durch ausländische Gesellschaften verbieten sollte. Die bis dahin bekannten Ölquellen waren fast erschöpft. Die sich mehr und mehr ausdehnende Industrie Venezuelas war Hauptrufer in diesem Streit. Hatte man doch schon mit Bangen dem Augenblick entgegengesehen, da die Quellen versiegten und man genötigt sein würde, synthetischen Betriebsstoff zu beziehen.
    Das Gesetz wurde im venezolanischen Parlament mit großer Stimmenmehrheit angenommen. Es traf in erster Linie brasilianische Interessen, in geringem Maße auch englische. Die Ölinteressenten der brasilianischen Union unter Führung des Leiters der Centralen Oil Gesellschaft, William Hogan, hatten vergeblich gegen das Zustandekommen dieses Beschlusses gearbeitet. Durch geschickte Agitation verstanden sie es dann, die Stimmung in Brasilien derart zu beeinflussen, daß die Regierung eine diplomatische Aktion einleitete. Als sie fruchtlos zu verlaufen drohte, gaben ein paar Zwischenfälle, bei denen brasilianische Bürger ums Leben kamen, Anlaß zum Appell an die Waffen.
    Doch in einem hatten sich die Brasilianer verrechnet. Aus dem geträumten Spaziergang nach Caracas wurde nichts. Der Krieg, auf beiden Seiten mit großer Erbitterung geführt, zog sich immer länger hin und verschlang Riesensummen. —
    Es war ein schwarzer Tag in Winterloo, als von Medardus die Nachricht kam, er wolle die günstige Gelegenheit nutzen, seine Flugkenntnisse zu vervollkommnen, und habe die Führung eines Luftriesen übernommen, den die Firma Truxton & Co. gechartert hatte, um Konterbande für Venezuela über den Ozean zu schaffen. Vergeblich alle Versuche der beiden Alten, Droste von diesem gefahrvollen Vorhaben abzubringen.
    Die Wellen der Weltereignisse, die bis dahin das Gestade Winterloos kaum beunruhigt hatten, begannen nun stärker und stärker zu branden. Mit unverhohlener Sorge verfolgten die Freunde die Kriegsgeschehnisse, gespannt auf alle Nachrichten, die von den Fahrten ihres Medardus zu ihnen drangen.
    *
    Arvelin saß in seinem Schlafgemach. Vor ihm lag eine englische Zeitung, die das Bild des kühnen Flugkapitäns Medardus Droste brachte. Lange vertiefte sich der Alte in die frischen, energischen Züge.
    »Das Bild ist gut getroffen!« murmelte er vor sich hin. »Medardus, wie er leibt und lebt!«
    Er beschattete sinnend die Augen, schritt dann zu einer kleinen Kassette, nahm ein Päckchen heraus und ging wieder zum Tisch.
    Die Hülle des Päckchens fiel. Eine verblichene Photographie kam zum Vorschein. Das Bild einer jungen Dame. Arvelin legte es

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