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Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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inzwischen hatte es draußen heftig zu regnen begonnen. Ein Gewitter brach los. Sie mußten einstweilen noch bleiben.
    Adeline trat von der Tür zurück. Ein jäher Blitz ließ sie zusammenzucken. Gleichzeitig jagte ein Windstoß heulend um das Gebäude. Die schwere Eisentür des Mausoleums schlug mit donnerähnlichem Krachen zu.
    Durch die Erschütterung war eine der drei an die Wand gelehnten Deckplatten umgefallen. Es dauerte Sekunden, ehe Adelines Augen sich an die verringerte Helligkeit gewöhnt hatten. Neben sich hörte sie die ängstliche Stimme ihres Bruders.
    »Fort, Adeline! Hier ist’s unheimlich!«
    Ja, fort von hier! dachte auch sie. Da fiel ihr Blick auf den umgestürzten Stein. Die Unterseite lag nach oben. Auf ihr, wie festgeklebt, etwas Weißes ... Papier schien’s zu sein.
    Sie bückte sich, sah ein beschriebenes Kuvert - die Schrift so merkwürdig bekannt.
    »Mein Testament!« las sie mit halblauter Stimme.
    Von der Überraschung zurückgeschleudert, wich sie zur Wand. Dann, in lautem Freudenschrei, stürzte sie vorwärts, streckte in höchster Aufregung die Hände nach dem Umschlag aus, wollte ihn greifen - schon berührten ihre Finger das Papier - da ...
    Sie taumelte, preßte ein Ächzen hervor. In stierem Suchen glitten ihre Augen wie die einer Wahnsinnigen am Boden, an den Wänden entlang ...
    »Das Testament!« knirschte sie. »Hier war es! Doch jetzt ist’s fort! Franz, komm her - wir müssen es wiederfinden!«
    Sie schaute sich nach dem Bruder um. Der hob in angstvoller Abwehr die Hände, wandte sich fluchtartig zur Tür. Totenblaß stürmte er, wie von Furien verfolgt, hinaus - dem Schlosse zu.
    Da verließ auch Adeline der Mut. Sie warf die Tür zu, hastete in wilder Eile dem Bruder nach.
    Die Straße von Winterloo nach Neustadt lag im Halbdämmer. Die Weidenstümpfe am Grabenrand warfen gespenstische Schatten über die tiefen Wagenspuren. Eine kleine, graue Gestalt schob sich, müde die Füße setzend, langsam vorwärts.
    Die Nacht brach herein, als die ersten Häuser des Städtchens auftauchten. Von der Kirchturmuhr schlug die siebente Stunde. Der Wanderer blieb stehen. Für den Weg - eine gute Stunde sonst - hatte er die dreifache Zeit gebraucht. An einen Weidenbaum gelehnt, schöpfte er ein paarmal tief Atem.
    Sollte das Gift in ihm sich schon so stark auswirken? Wieviel blieb ihm noch zu tun!
    Seine Gedanken flogen zurück. Der Jugend kaum entwachsen, hatte ihn die Idee beherrscht, in die Tiefen der physikalischen Erkenntnis einzudringen, die bisher jedem Sterblichen verschlossen geblieben. Was die Natur in ihrer Weisheit hilflosen Lebewesen zu ihrem Schutz gegeben: sie dem Auge des Feindes unsichtbar zu machen - war dem Menschen, dem höchstentwickelten Lebewesen, versagt. Sollte es nicht möglich sein, Mittel zu finden, die auch ihm solchen Schutz gewährten, die Augen seiner Feinde täuschten und blendeten?
    Das Mittel, in einer Lebensarbeit gesucht - er hatte es gefunden! Auf völlig anderem Wege als die Natur war er zum Ziel gekommen. Einen Kranz in schnellsten Schwingungen vibrierender Ätherenergie - wie einen Mantel legte er ihn um sich. Abgelenkt, umgelenkt umfluteten die Lichtstrahlen die zauberische Hülle, setzten dahinter ihren Gang in der alten Richtung fort, als wären sie nie auf ein Hindernis getroffen. Unsichtbar mußte so die Hülle machen, ihren Träger jedem menschlichen Blick entrücken.
    Schritt für Schritt hatte er darauf hingearbeitet, den Mantel, aus vibrierendem Äther gewoben, so zu formen, daß er die auftreffenden Strahlen in der gewünschten Weise weitersandte. Der erste Erfolg war schnell errungen.
    Ein kleiner, bequem mitführbarer Apparat gestattete es ihm leicht, kreisende Schwingungen um sich zu werfen, die das auftreffende Licht um ihn herumlenkten, seine Gestalt für das Auge der Menschen zu einem fast unsichtbaren Schemen machten. Aber jahrelange Arbeit kostete es ihn, die schwingende Energie so zu differenzieren, daß jeder ihn treffende Strahl ihn ungebrochen, unverschoben verließ. Jetzt erst war die Täuschung vollkommen, da das menschliche Auge das hinter ihm Liegende, von seiner Gestalt sonst naturgemäß Verborgene, ungeschwächt und unverzerrt erblickte.
    Da kam der Krieg. Medardus, durch das Geschenk des alten Freiherrn, das Treibmittel, am Ziel seiner Wünsche, seine Erfindung zu erproben, stürzte in den Krieg.
    Mit Angst und Bangen hatte Arvelin Drostes Konterbandefahrten mit angesehen. Wähnte seines Schützlings Leben täglich,

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