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Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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oder vierzig Jahre, aber was wäre das für ein Leben?! Ich weiß, dass ich dir wehgetan habe, aber es gab einige Frauen, denen konnte ich nun mal nicht widerstehen .
    Bitte verzeih mir meine Fehltritte. Und ich bitte dich um einen Gefallen – sorge dafür, dass auch Kommissar Henning und Staatsanwalt Kieper diesen Brief lesen, denn Sie sollen wissen, dass ich unschuldig bin und möchte, dass sie den Mörder finden, für dessen Tat ich im Gefängnis sitze und auch sterbe .
    Ich liebe euch alle, und gib Patrick und Michaela einen Kuss von mir. Ich liebe und ich küsse dich, dein Georg «
    E r faltete den Brief zusammen und legte ihn auf das Bett. Er wartete, bis das Licht gelöscht wurde, zog das Laken und die Bettwäsche ab und verknotete alles miteinander. Er trank noch einen Schluck Tee, stellte sich auf den Stuhl, atmete einmal tief durch und stieß den Stuhl von sich.

    D ie Nachricht von Georg Nissens Selbstmord erreichte Sören Henning und Lisa Santos auf einem Fortbildungsseminar in Plön. Sie lasen während einer Pause den Abschiedsbrief, der ihnen durchgefaxt worden war. Henning sagte nichts, warf seiner Kollegin nur einen kurzen Blick zu und wollte sich schon abwenden, als sie ihn zurückhielt .
    » He, du kannst nichts dafür. Du hast deinen Job gemacht, genau wie ich. «
    » Nett von dir, dass du mich aufmuntern willst, aber das geh t g anz allein auf meine Kappe. Du hast an seiner Schuld gezweifelt, und ich habe nicht auf dich gehört. Aber soll ich dir ganz ehrlich was sagen? Ich war zum Schluss auch nicht mehr von seiner Schuld überzeugt. Nur, da wäre es sowieso schon zu spät gewesen, Kieper hatte sich längst auf den Prozess vorbereitet. Und außerdem sprachen doch alle Fakten gegen Nissen, oder? «
    Henning sah Lisa Santos an, als würde er eine Zustimmung erwarten, doch sie antwortete nur: » Kann schon sein. Es war alles ein dummer, unglücklicher Zufall. «
    » Sicher. Aber jetzt läuft da draußen einer rum, der ein Menschenleben auf dem Gewissen hat. Und ich auch. « Er machte eine kurze Pause, dann sagte er: » Ich fahr nach Hause, ich brauch ’ ne Auszeit. Sorry. «
    Lisa Santos sah ihm hinterher und verbrachte die restlichen zwei Tage in Plön. Henning ließ sich eine Woche krankschreiben, bevor er wieder zum Dienst erschien. Er verlor kein Wort mehr über Georg Nissen, sondern widmete sich seiner Arbeit, einem neuen Fall, einem achtjährigen Jungen, der seit zwei Tagen vermisst wurde. Henning wurde zusammen mit Lisa Santos mit den Ermittlungen betraut, die fast ausschließlich vom Büro aus geführt wurden. Fast anderthalb Jahre vergingen, bis das Skelett des Jungen im Unterholz eines Waldstücks in der Nähe von Stralsund von Spaziergängern entdeckt wurde. Erst eine DNA-Analyse brachte den Eltern, die verzweifelt gehofft hatten, ihr Kind würde noch leben, die traurige Gewissheit, es nie wiederzusehen. Henning hatte zu diesem Zeitpunkt die Ermittlungen längst Lisa Santos und andern Kollegen überlassen. Er hingegen verschanzte sich hinter seinem Schreibtisch und bearbeitete Akten. Mehr wollte er nicht.

 
    DONNERSTAG, 6. MAI 2004
     
    D ie letzten Tage waren schlecht gewesen. Er hatte zwar genug zu tun gehabt, und doch war er unzufrieden. Zu Hause hatte sich Butcher wieder einmal die alte Leier anhören müssen, nicht genug für seine Familie da zu sein, sich nicht wie ein liebevoller Ehemann um seine Frau zu kümmern, Dinge, die er schon seit Jahren vorgeworfen bekam. Einmal mehr waren ihm seine Frau und seine Mutter mit ihren ständigen Sticheleien und Vorwürfen auf die Nerven gegangen, und als sie auch noch seine Fähigkeiten als Vater in Frage stellten, hatte er genug .
    Butcher, der nur selten Widerworte gab, der alles scheinbar gelassen hinnahm, setzte sich an diesem milden, aber regnerischen Frühlingstag in seinen dunkelblauen VW Golf und fuhr übers Land. Er machte dies immer, wenn ihm zu Hause alles zu viel wurde, wenn er die Freiheit suchte, die er nur fand, wenn er wie jetzt ziellos durch die Gegend streifte. Wie ein einsamer Wolf auf der Suche nach Beute. Oder wie ein einsamer Wolf, der nach einem Opfer Ausschau hielt. Seit dem späten Nachmittag war er unterwegs. Er hatte gesagt, er müsse noch etwas Geschäftliches in Flensburg erledigen, was natürlich gelogen war .
    Er legte eine CD mit den harten, düsteren Beats von Rammstein ein und drehte die Lautstärke hoch. Alles in ihm vibrierte, er schaute nur auf die Straße, seine Kiefer mahlten ein paarmal aufeinander.

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