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Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Nach einer halben Stunde hielt er auf einem Waldparkplatz, begab sich zum Kofferraum und öffnete den darin liegenden Kleidersack. Er schaute sich kurz um, er war allein .
    Rasch zog er sich um. Etwas sagte ihm, heute würde es wieder so weit sein. Die andern Sachen legte er fein säuberlich zusammen und schloss den Kofferraum.
    Weitere zwei Stunden vergingen. Es wurde allmählich dunkel, der Himmel war bedeckt, es fing wieder an zu regnen. Butcher war zuerst nach Kappeln gefahren, von dort aus nach Eckernförde und wollte bereits wieder den Rückweg nach Hause einschlagen, als eine innere Stimme ihm sagte, noch einen Abstecher nach Rendsburg zu machen. Kurz hinter Groß Wittensee erblickte er an einer Bushaltestelle auf der andern Straßenseite eine junge Frau, die schweres Gepäck bei sich hatte. In beiden Händen hielt sie ein Schild, dessen Aufschrift nicht zu erkennen war, da es in die andere Richtung zeigte. Er tat, als nähme er keine Notiz von ihr, setzte seinen Weg noch einen Kilometer fort und wendete. Sein Atem ging ein wenig schwerer, sein Blut schien schneller als gewöhnlich durch die Adern zu fließen, sein ganzer Körper war wie ein Druckluftkessel kurz vor dem Explodieren.
    Als er nach kaum fünf Minuten zurückkam, stand sie noch immer dort, als hätte sie auf ihn gewartet. Jetzt erkannte er im Scheinwerferlicht » Husum «, das in großen Lettern auf dem Pappschild stand. Sie trug eine grüne Regenjacke, die Kapuze über den Kopf gezogen, um so dem Wind und dem Regen zu trotzen.
    Butcher hielt an und ließ das Beifahrerfenster herunter .
    » Husum? «, fragte er, als hätte er es auf dem Schild nicht gelesen.
    » Können Sie mich mitnehmen? «, fragte die junge Frau und warf einen prüfenden Blick in den Wagen und schien erleichtert, als sie die Uniform sah.
    » Da haben Sie aber Glück «, sagte Butcher freundlich. » Ich fahr fast bis nach Husum, hab dort gleich einen Einsatz. Packen Sie Ihre Sachen einfach auf den Rücksitz, der Kofferraum ist voll. «
    » Danke. « Sie hievte ihren Trekkingrucksack und die Reisetasche hinein, holte ein Taschentuch aus ihrer Jacke un d s chnäuzte sich noch draußen die Nase, bevor sie sich ins Auto setzte.
    » Wieso stehen Sie hier? «, fragte er. » Ich meine, hat Sie jemand hier in der Einöde abgesetzt? «
    » Ach, nur so ein Idiot, der mir an die Wäsche wollte. Ich hab ihm eine gescheuert, und er hat mich rausgeschmissen. Zum Glück war er nur geil, aber ansonsten harmlos. « Sie schob ihre Kapuze zurück und schüttelte einmal kräftig den Kopf .
    » So was kann auch schief gehen «, sagte Butcher.
    » Ich hab schon ’ ne ganze Menge erlebt, ich kann mich wehren. «
    » Sie sollten trotzdem in Zukunft aufpassen. Darf ich fragen, wie Sie heißen? «
    » Miriam. Was dagegen, wenn ich meine Jacke ausziehe? «
    » Tun Sie sich keinen Zwang an. « Er beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sie die Jacke auf den Rücksitz zu den andern Sachen legte und ihren Kopf an die Nackenstütze lehnte. Butcher schätzte sie auf achtzehn, neunzehn, höchstens zwanzig, vielleicht eine Studentin, dachte er. Sie war groß, mindestens einsfünfundsiebzig, hatte halblange hellbraune Haare und ausdrucksstarke blaue Augen, das war ihm sofort aufgefallen, als sie ins Auto geschaut hatte. Miriam trug ein weißes Sweatshirt, eine Jeans und Sportschuhe. Sie war schlank, doch sie hatte ungewöhnlich große Brüste, die auch von dem weit geschnittenen Shirt nicht verdeckt werden konnten. Aber eigentlich interessierte es ihn gar nicht, wie sie aussah, wie sie gebaut war, das Einzige, was ihn interessierte, war, dass sie neben ihm saß, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, dass dies ihre letzte Fahrt in einem Auto sein würde, dass es überhaupt ihre letzte Fahrt sein würde .
    » Und was machen Sie in Husum? «
    » Ich wohne dort. « Sie schloss die Augen und fuhr fort: » Sie glauben gar nicht, was ich im letzten halben Jahr alles erleb t h abe. Möchten Sie ’ s hören? «, fragte sie, als wäre er der Erste, dem sie sich mitteilen konnte .
    » Klar. «
    » Ich war in Frankreich, Spanien, Portugal und Nordafrika .
    Ich hab dort wirklich alle Arten von Menschen kennen gelernt. Marokko aber, das war der Hammer. Mein lieber Scholli, bin ich froh, dass ich da wieder lebend rausgekommen bin … «
    » Warum sind Sie allein gereist? «, wollte Butcher wissen .
    » Ich musste mal weg von zu Hause. Mein Vater ist vor fünf Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen, und meine Mutter hat sich

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