Unsortiertes
mehr.“
Während er den 6er-Träger holte, kramte ich nach dem Geld. Der
Austausch, Geld gegen Ware, verlief schweigend. „Sonst noch was?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein Danke, jetzt habe ich alles. Und? Wie
fühlt man sich so als Herrscher auf dem Hof?“
Er zuckte mit den Schultern. „Herrscher? Wenn dann einer ohne Volk!
Mein dummer Bruder treibt sich ja lieber in der Weltgeschichte rum, anstatt
hier mit anzupacken, wo Papa im Urlaub ist. Der schafft es ja nicht einmal,
sonntags die Hühner zu füttern, obwohl er es versprochen hatte. Wie soll der
nur was aus seinem Leben machen, wenn er heute schon so unzuverlässig ist?“
Hatte ich jetzt den Senior oder den Junior vor mir? Er klang wie sein Vater!
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Naja, er macht gerade Abi. Da hat man
den Kopf voll anderer Dinge.“
Er wiegelte ab. „Mag ja alles sein, aber deshalb braucht man nicht erst
am Sonntag um Sechs in der Frühe mit verdreckten Hosen nach Hause zu kommen,
als hätte man sich besoffen in den Graben zum Schlafen gelegt. Dann pennt er
bis in die Puppen und verschwindet, ohne ein Wort der Entschuldigung, und
treibt sich dann bis zur Tagesschau wieder in der Weltgeschichte rum. Wenn sie
mich fragen, mit dem stimmt hier oben was nicht.“ Er tippte sich an die Stirn.
„Ich hoffe aber für ihn, er übernimmt heute Nachmittag den Hofladen, sonst …“
Er ballte die Faust.
Halt! Hier stimmte tatsächlich was nicht. Nach eigener Aussage war er
mit dem Nachtbus um Mitternacht hier angekommen und für den Kilometer zwischen
Bushaltestelle und dem elterlichen Hof braucht man, auch wenn man angetrunken
ist, maximal zehn Minuten. Wenn Johannes tatsächlich erst um sechs Uhr auf dem
Hof ankam, wie Wilhelm sagte, was hat er dann in der Zwischenzeit getrieben?
Meine grauen Zellen arbeiteten angestrengt und spulten die Feier am
Samstag noch einmal im Schnelldurchgang ab. Ich ahnte nichts Gutes! Die
Wasserschlacht begann gegen Zwölf, dann folgten die zwischenmenschlichen
Interaktionen in wechselnden Konstellationen unter erheblicher Ausschüttung von
Testosteron und anderen androgenen Hormonen am Pool und auf der Terrasse. Was
meinte Marius, als wir nach dem Fick am Pool leicht zitternd bei einem Bier am
Pool zusammen saßen? „Aufräumen können wir nach dem Aufstehen, komm jetzt ins
Bett, du kleines Fickloch!“
„Ist ihnen nicht gut? Sie sehen plötzlich so blass aus, Herr
Geldermann.“
Diesmal winkte ich ab. „Ich glaube, mir ist wohl das Mittagessen auf
den Magen geschlagen. Ich leg mich wohl besser etwas hin.“ Schnell zahlte ich
die Hühnerprodukte und verließ den Hof.
Nachdem ich die Einkäufe verstaut hatte, starrte ich geistesabwesend
auf den Pool. Wenn ich Eins und Eins zusammenzählte, kam ich immer zu dem
gleichen Ergebnis: der Abiturient war ein kleiner Spanner! Erst hatte er die
nächtliche Aktion in Augenschein genommen und wohl auf eine Fortsetzung am
Sonntag gehofft. Das würde dann auch zu dem Nachmittagsprogramm passen, dass
Wilhelm beschreiben hatte.
Ich ging in den Garten und suchte nach Spuren. Erst konnte ich nichts
Verdächtiges entdecken, aber auf dem Rückweg sah ich abgeknickte Zweige eines
Rhododendrons. Ich schaute genauer nach, unter dem Schutz der Blätter hatte es
sich wohl jemand gemütlich gemacht, die Erde war aufgewühlt und man sah etliche
Zigarettenkippen. Er hatte von dieser Position aus sowohl den gesamten
Poolbereich als auch die Terrasse, somit alle Akteure, im Blickfeld gehabt. Ich
war fassungslos.
Als ich Marius, der eine Stunde später eintraf, von der Geschichte
erzählte, war auch er erst bestürzt, fing dann aber an zu kichern. Ich schaute
ihn ungläubig an. „Was gibbet denn da zu lachen?“
„Jost, der Kleine schient auch verzaubert zu sein!“
„Wie?“ Ich verstand nur Bahnhof.
„Überleg doch mal! Der Kleine weiß, dass du schwul bist, oder?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Gesagt habe ich es ihm nicht, aber …
anzunehmen, denn außer meiner Putzfrau kriege ich ja normalerweise keinen
weiblichen Besuch.“
„Siehst du! Er kommt mit dem Bus hier an, hört die Musik, das
Gelächter, das Geplansche. Der schwule Nachbar gibt ne Party.“ Er hob die Hand,
kam fast ins Dozieren. „Eine Hete wäre direkt nach Hause, aber was macht der
Bengel? Schleicht sich ins Unterholz, beobachtet uns. Die Temperaturen luden ja
nicht gerade zum fröhlichen Verweilen im Freien ein. Wir waren ja in
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