Unsterblich geliebt
zurück, als er mit Elisabeth gemeinsam im großen Bottich gebadet hatte. Anschließend hatte er stets ihre Haare gekämmt, sie zwischendurch immer wieder an Hals und Schulter geküsst, ihre nackte Haut gestreichelt - manchmal hatten sie es nicht mehr bis ins Bett geschafft…
„ Versuchst du gerade mich zu verführen?“
Laras Frage riss ihn in die Gegenwart. „Nur, indem ich deine Haare kämme? Würde das denn funktionieren?“
Er gab sich keine Mühe, sein spitzbübisches Lächeln zu unterdrücken. Lara räusperte sich verlegen und versuchte rasch das Thema zu wechseln.
„ Das sieht hier nicht wie eine Junggesellenbude aus.“
Nein, nicht dieses Thema. Hoffentlich reichte ihr eine knappe Antwort.
„ Ich war verheiratet.“
„ Was ist passiert? Konntest du dich nicht satt genug an ihr trinken?“
Der Kamm in seiner Hand zerbrach. Sein Gesicht musste wohl Bände sprechen, denn Lara drehte sich auf der Stelle um. Hätte sie nicht ihre Hand auf seine gelegt, er wäre aus dem Zimmer gestürmt und nicht mehr zurückgekehrt. Doch allein durch ihre Berührung wurde die Explosion aus Wut und Trauer verhindert und sein Inneres beruhigte sich wieder.
„ Bitte, verzeih mir, ich wollte dich nicht verletzen. Das war dumm von mir, ich…“
„ Lass gut sein“, sagte er knapp, drehte sie an den Schultern erneut zum Spiegel und holte einen anderen Kamm. Schweigend kämmte er ihre Haare zu Ende.
Sie sagte kein Wort mehr, doch ihr fragender Blick ließ ihm keine Ruhe. Schließlich umklammerte er die Rückenlehne und schloss die Augen. „Ein Autounfall. Eisglatte Straße.“
Er war froh, dass sie von oberflächlichen Beileidsbekundungen Abstand nahm und ihn auch nicht weiter drängte, aber dann …
„ Mein Freund starb auch im Auto, allerdings durch eine Rauchvergiftung, sagte man mir. Seine Leiche war völlig verkohlt. Ich habe mir deshalb lange Zeit Vorwürfe gemacht.“
„ Warum?“
Die eigenen Vorwürfe waren das Schlimmste, das wusste er aus bitterer Erfahrung. Immer und immer wieder hatte er sich gefragt, ob und wie er Elisabeths Unfall hätte verhindern können.
„ Wir hatten vorher gestritten. Mein Freund wollte im Auto bleiben und abwarten. Ich wollte zum nächsten Notausgang. Als ich die Wagentür öffnete, ist der giftige Rauch zu ihm ins Fahrzeug gedrungen. Ich habe ihn noch ein Letztes Mal angefleht mitzukommen, doch er blieb stur sitzen.“
John sah im Spiegel, dass ihre Augen leer wurden, als wäre sie nicht mehr in diesem Raum.
Doch er hatte keinen schlauen Rat für sie, keine Medizin. Auch ihn übermannten oft die Erinnerungen und zogen ihn in einen schwarzen, bodenlosen Abgrund aus Trauer und innerer Qual.
Was sollte er also jetzt tun? Es dabei belassen? Oder nachfragen?
Bei Elisabeth hatte er durch die symbiotische Verbindung immer gewusst, was in ihr vorging, was sie fühlte. Doch Lara hatte ihm ihr Blut noch nicht geschenkt, deshalb war die Verbindung einseitig. Nur sie war in der Lage seine Empfindungen spüren, nicht umgekehrt.
Er schwieg, bis er plötzlich Angstschweiß an ihrem ganzen Körper roch.
War sie durch das Teilen ihrer Erinnerungen in den Schlund ihres eigenen Abgrunds gezogen worden?
Ihre Atemzüge wurden immer hektischer und flacher.
„ Lara, um Gottes Willen! Was geschieht mit dir?“
„ Sie sind zu zweit in den Tunnel gefahren und nur einer hat ihn wieder lebend verlassen.“
Das klang für ihn wie ein Zitat. Lara wirkte völlig abwesend.
„ Lara! Du machst mir Angst.“
„ Das sind nur Erinnerungen, mir kann nichts geschehen“, sagte sie so mechanisch, als wäre ihr das eingetrichtert worden. Inzwischen keuchte Lara schon, als bekäme sie nicht genug Luft.
„ Lara!“
„ Ich muss es bis zur Tunnelwand schaffen und mich von dort entlang tasten. Wenn ich immer an der Wand bleibe, erreiche ich den Notausgang.“
John fühlte sich hilflos, denn sie schien teils in der Realität, teils in der Vergangenheit zu stecken.
„ Lara, ich werde dich in Tiefschlaf versetzen.“
„ Nein! Ich darf nicht ohnmächtig werden! Dann sterbe ich in diesem giftigen Qualm.“
„ Lara, um Gottes Willen! Hör auf, daran zu denken!“
Aber, konnte er denn aufhören an Elisabeths Leichensack zu denken, wenn er ihn erst mal vor Augen hatte? Dieser schwarze Abgrund war sein unerbittlichster Feind.
„ Ich muss mich dem stellen, sonst wird es schlimmer.“
„ Noch schlimmer?“ Er hatte schon jetzt den Eindruck sie würde ersticken.
„ Ich brauche eine Gasmaske,
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