Unsterbliche Küsse
was. Dieses Haus steht seit Monaten leer. Wechseln Sie die Schlösser aus, wenn Sie tatsächlich einziehen.« Um seinen Mund zeigte sich der Anflug eines Lächelns. »Ich glaube fast, ich höre mich an wie Onkel Christopher.«
Nein. Onkelhaft wirkte er nun gar nicht. »Darum geht es nicht, aber Sie sind heute schon der Dritte, der mir empfiehlt, die Schlösser auszutauschen.«
»Vielleicht nicht der schlechteste Rat.«
Sie sagte nichts dagegen. Es stimmte ja.
Christopher sah zu, wie die Rücklichter ihres Autos verschwanden. Sie hatte also tatsächlich vor, einzuziehen, ihren Besitz zu übernehmen und ungebetene Besucher abzuschrecken. Sie war ebenso mutig wie schön, hatte aber keine Ahnung, worauf sie sich einließ. Aber auch auf ihn würden schwere Zeiten zukommen.
Hätte er auch nur einen Funken Verstand, würde er den Kontakt sofort abbrechen, aber er konnte nicht. Er wollte diese Bibliothek sehen, und Dixie würde es ihm gestatten.
Dixie! Dixie LePage könnte sein Schicksal werden – wenn er es zuließe. Aber er würde sich wehren dagegen. Er war stärker als jeder Sterbliche, stärker als dieses Persönchen mit kastanienfarbenem Haar, grünen Augen wie geschliffenes Glas, einem Lächeln, das ihm den Verstand raubte, und warmem, süßem Blut in ihren Adern.
Aber er begehrte sie und würde es doch nie riskieren, sie zu besitzen.
»Sie bleiben also?«, fragte Stan Collins.
»Nur einen Monat ungefähr. So lange, bis ich alles geregelt habe.« Sie hatte die Putzarbeiten für eine Stunde unterbrochen und war nach Horsley gefahren, um den Mietvertrag für ihr Auto zu verlängern.
»Es ist bereits reserviert für ein Wochenende im Juni. Sollten Sie dann noch hier sein, gebe ich Ihnen ein anderes. Nur für das eine Wochenende, okay?«
Dixie war einverstanden und machte sich eine entsprechende Notiz in einem Block, den sie im Dorf gekauft hatte. Ihr Notizbuch war auch dann nicht wiederaufgetaucht, nachdem sie ihre Sachen komplett durchsucht hatte. Wegen der langen Mietdauer vereinbarten sie einen Sondertarif.
»Kommen Sie aber bloß nicht auf die Idee, an den Wochenenden nach Schottland zu gurken«, ermahnte sie Stan im Spaß.
Sie versprach ihm, das nicht zu tun, und kehrte zurück nach Hause zu ihren Mops und Scheuerbürsten.
Sebastians Jaguar kam schnurrend vor Emilys Gartentor zum Stehen, während Dixie am Fenster ihres Zimmers zufrieden über den Rock ihres Leinenkostüms strich. Emilys Bügeleisen hatte ihm sichtlich gutgetan. Eine hellblaue Bluse, bei Maude’s im Dorf erstanden, ergänzte ihr Erscheinungsbild perfekt. Nachdem sie den ganzen Tag lang nur geputzt hatte, fühlte sich dieser ungewohnte Schick großartig an.
Im Erdgeschoss, wo Emily und Sebastian sich begrüßten, herrschte eine frostige Stimmung, und Dixie hatte den Eindruck, sie könnte sich den beiden nur mit Thermoweste nähern. Als sie und Sebastian aufbrachen, murmelte Emily etwas vor sich hin, möglicherweise wünschte sie ihnen einen schönen Abend. Draußen spürte Dixie eine warme Hand in ihrem Rücken, die sie in Richtung Auto bugsierte.
»Diese Farbe steht Ihnen prächtig«, sagte Sebastian. »Sieht wirklich gut aus. Kann zwar nicht jede tragen, aber zu Ihrem Teint und den Haaren passt es.« Sein Atem in ihrem Nacken fühlte sich noch wärmer an als seine Finger. Dixie hoffte bloß, er würde seine Hände hübsch am Lenkrad lassen.
Die Whytes lebten in einer umgebauten Scheune, ein paar Kilometer in Richtung Guildford entfernt. In ihrem geräumigen und hohen Wohnzimmer tummelten sich an die vierzig Gäste – nicht unbedingt der Plausch mit ein paar Leuten aus der Nachbarschaft, den sie erwartet hatte.
»Guten Abend.« Ein offenbar hocherfreuter, rotgesichtiger Mann umfasste ihre Hand mit seiner enormen Pranke. »Schön, dass Sie hier sind.«
In all dem Trubel wurde Dixie einem Dutzend Leuten vorgestellt, deren Namen sie registrierte und gleich wieder vergaß. In der Hand einen Gin Tonic mit einem Eiswürfel mehr
– zwei waren einfach nicht genug –, sah sie sich im Wohnzimmer der Whytes um, begutachtete die schmiedeeisernen Leuchter, das Hochglanzparkett mit den handgeknüpften Teppichen, den deckenhohen gemauerten Kamin und die offenbar echte Warhol-Suppendose über dem Sofa. Das Versicherungsgeschäft schien einiges abzuwerfen.
Dixie ließ ihre Blicke schweifen, vorbei an all den vielen Menschen, die sie nicht kannte, und fühlte sich plötzlich schrecklich allein. Warum um Himmels willen war sie nur aus
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