Unsterbliche Küsse
Charleston weggegangen? Sie wünschte sich nichts sehnlicher als den Anblick eines vertrauten Gesichts. Da entdeckte sie plötzlich, als wäre ihr Wunsch erhört worden, ihre Nachbarin, Emma, mitten in der Menge. Sebastian war in ein Gespräch über eine geplante Straßenverbreiterung vertieft, und Dixie marschierte schnurstracks quer durch den Raum zu Emma.
Christopher roch sie sofort, süßer und frischer als alle anderen Sterblichen hier. Er hatte sie nicht erwartet, und sie hier zusammen mit Caughleigh zu sehen, verwirrte ihn.
Er wusste natürlich längst, was Caughleigh beabsich-
tigte.
Aber welche Rolle spielte Dixie in diesem Spiel? War sie seine Komplizin oder Mittel zum Zweck?
Christopher ließ die Eiswürfel im Glas klimpern und sah zu, wie Dixie auf Ian Gordons Frau zuging.
Wenigstens war die schöne Amerikanerin so vernünftig, sich von Caughleigh zu entfernen. Wusste sie überhaupt, wer er war? Er unterdrückte das Verlangen, auf sie zuzugehen und sie vor der Gefahr zu warnen, die von Sebastian Caughleigh ausging. Er war schon einmal auf ein hübsches Gesicht hereingefallen und hatte prompt eine Menge Ärger bekommen. Nie wieder. Er war klüger geworden nach vier Jahrhunderten. Nach einer Sterblichen hatte er kein Verlangen mehr, sein Bedarf war gedeckt; da konnte ihr Lächeln noch so süß und das Rauschen des Blutes unter ihrer elfenbeinfarbenen Haut noch so verlockend sein. Sie würde ihn nur in Schwierigkeiten stürzen, und verbreitete er nicht selbst den Hauch allen Unheils? Die einzige Person, die ihr noch mehr schaden könnte als er, war Sebastian Caughleigh – oder Chadwick.
Christopher lehnte sich gegen den Kaminsims und sah zu, wie Emma Dixie zu einer Gruppe junger Frauen hinzog. Er stellte sich ihre Gespräche vor, Gespräche über Babysitter, Fensterreiniger und wo man sich diesseits von Guildford am besten die Nägel maniküren ließ.
»Fasziniert von der reichen amerikanischen Erbin?«
Larry Whyte nippte an seinem obligatorischen Scotch und grinste.
»Nimm dich bloß in Acht! Ich glaube, Sebastian Caughleigh hat schon ein Auge auf sie geworfen.«
»Ach wirklich?« Allein der Gedanke, es mit dem Konkurrenten aufzunehmen, reizte ihn. »Hat der Mann denn keine Berufsehre? Immerhin ist sie seine Klientin.«
»Vergiss nicht, wir sprechen von Sebastian Caughleigh.« Larry kicherte, was Christopher jedoch wenig lustig fand. »Sie haben das gewisse Etwas, diese Amerikanerinnen«, fuhr Larry fort, »diese hier sprudelt geradezu vor Energie. Ich hätte sie verdammt gern mal in der Kiste. Sebastian ist zu beneiden, aber sag bloß Janet nichts.«
Christopher hatte gute Lust, Larrys Knollennase in seinen Scotch zu tauchen, bis er sprudelte, oder noch lieber hätte er ihn an den Kamin genagelt und seinen Kopf gegen den roh behauenen Stein geschlagen. Er wollte die Selbstgefälligkeit aus seiner Visage prügeln. Aber ein derartiges Benehmen war leider unüblich in diesen Kreisen, also atmete er tief durch und schluckte seine Wut hinunter, eine Hand kräftig zur Faust geballt. Als es an seinem Handgelenk feucht und kalt herunterrieselte, bemerkte er, dass er sein Glas zerdrückt hatte.
»Sie haben eine Putzagentur?«, fragte Dixie. Das Stichwort war ihr nebenbei zugeflogen.
Sally nickte eifrig. »Soll ich Ihnen einen Kostenvoranschlag machen?«
»Ja, und zwar so bald wie möglich.«
»Wie wär’s mit Montag früh?«
Dixie war wild entschlossen, hatte der heutige Tag doch eindeutig erwiesen, dass eine Frau und ein Mop dem Schmutz von Jahren nicht gewachsen waren. Fast jubelte sie innerlich. Sally hatte eine Putzagentur.
»Kommt, Mädels, wir wollen was schnabulieren«, schlug Emma vor. Dixie folgte ihr unverzüglich ans Buffet.
Ihr erster Blick fiel auf eine vegetarische Platte und eine Schale Hummus. Beherzt tauchte sie ein Stück Pitabrot in die weiche Masse.
Wunderbar! Sie griff sofort ein zweites Mal zu. Dabei streifte sie eine fremde Hand, eine blasse Hand mit langen manikürten Nägeln, die milchigweiß glänzten. Sie kannte diese Finger. Ihre Hand erkaltete, ihre Augen jedoch blickten hoch zu einer ledernen Augenklappe.
Er lächelte, dass ihr die Knie zitterten, und das Strahlen in seinem Auge hätte ihr beinahe den Rest gegeben. Ihr Herz raste, als sie sich aufrichtete, dabei das Brot in der Schale zurückließ und die Hand ausstreckte. »Hallo, was für eine Überraschung.«
»Was für ein Dorf, denken Sie sicher. Man trifft stets dieselben Leute.«
»Nicht unbedingt ein
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