Unsterbliche Liebe
Rat: Gutes Zureden bewirkt oft mehr als jeder Befehl. Glaub mir, meist wirkt es Wunder.«
Er sah sie erstaunt an. »Fast dasselbe hat Kit auch gesagt!«
Der Himmel möge es ihm danken! »Zu zweit können wir nicht irren. Und Justin, ehe du losdonnerst, sprich mit ihr und lass dir erzählen, was an diesem Morgen eigentlich passiert ist.«
»Was soll schon passiert sein. Sie hat meine Anweisungen schlicht und einfach ignoriert.«
Dies war eine der Situationen, in denen Dixie, wie früher, gerne richtig tief durchgeatmet hätte. »Justin, sprich erst einmal mit ihr. Stella ist nun wirklich alles andere als dumm.«
Er nickte. »Na schön. Könntest du, wenn du den Laden schließt, vorbeischauen und auf Sam aufpassen? Stella wird heute Nacht wieder trinken müssen.«
Dixie drückte ihn. »Natürlich. Oh, noch was. Ich habe Stella versprochen, noch im Giant Eagle vorbeizuschauen, um für Sam etwas zum Abendessen und zum Frühstück für die nächsten Tage zu besorgen, und Milch ist auch keine mehr im Haus. Soll ich das übernehmen?«
Justin schüttelte den Kopf. »Ich besorge die Sachen unterwegs. Stella und ich sind leicht verärgert auseinandergegangen. Da hilft es vielleicht, wenn ich nicht mit leeren Händen komme.«
Auf den Gedanken, wie viele Jahrhunderte wohl vergangen waren, seitdem Justin das letzte Mal Lebensmittel eingekauft hatte, kam Dixie erst, nachdem er längst gegangen war.
Schlechtes Gewissen hin oder her. Justin ging jedenfalls vollbepackt mit Tüten und einem Strauß rosafarbener Rosen vom Giant Eagle zu Kits Auto. Olivenzweige hatte das Giant Eagle zwar keine im Sortiment, aber dafür gab es dort so gut wie alles, wovon man als Sterblicher nur träumen konnte. Allein die Menge der Waren, aber auch die Vielfalt des Angebots hatten ihn verblüfft, als er sich seinen Weg durch die Gänge bahnte, in denen Regale mit Produkten für den täglichen Bedarf – Reinigungsmittel, Küchenutensilien, Bleistifte – standen. Garantiert würde er noch jetzt zwischen Toilettenpapierstapeln und Zahnpastabergen umherirren und diese beknackte Metallschubkarre mit den quietschenden Rädern vor sich herschieben, hätte ihm nicht eine ahnungslose Hausfrau, die ihm die erfundene Geschichte von dem Neffen abnahm, ihre Hilfe aufgedrängt. Sie war zwar etwas von der Rolle gewesen, dafür aber umso gesprächiger, weshalb er sich gleich mit Hotdogs, Pizza und Hamburgern eingedeckt hatte, offenbar das tägliche Brot von Kindern hierzulande. Ebenfalls nicht fehlen durfte auch eine Packung mit merkwürdigen Klumpen, die als Müsli durchgehen sollten, sowie einige Sachen, die er als Leckereien aus seiner Kindheit wiedererkannt hatte. Wie ein mit normalen Kräften ausgestatteter Normalsterblicher den wöchentlichen Lebensmitteleinkauf überhaupt bewältigen konnte, war Justin ein Rätsel.
Auf der Rückfahrt kam er am Barcelona vorbei. Waren wirklich erst drei Tage vergangen, seit sie Hand in Hand diese Straße entlanggelaufen waren und Stella ihrem Schicksal begegnet war? Den Göttern sei Dank, dass er zur Stelle gewesen war, sie zu verwandeln, aber hätte er sie an jenem Abend nicht ausgeführt … Müßig, diesen Gedanken weiter zu verfolgen. Besser sparte er sich seine Kraft dafür auf, endlich Frieden mit ihr zu schließen.
Über die Jaeger Street fuhr er am Park entlang. Zwischen einzelnen Bäumen und Metallpfosten hingen noch letzte Reste gelben Flatterbands. Was war eigentlich aus den beiden Straßenrowdys geworden? Seit Freitag hatte er keine Zeitung mehr gelesen. Wie sollte er, hin und her gerissen zwischen der Sorge um Stella und Sam, auch dazu kommen? Und nun hatte er zusätzlich noch das Problem mit Vlad und den beiden Ghulen am Hals. Trotzdem würde er herausfinden müssen, was geschehen war, denn außer daran, dass er schier ausgerastet war vor Wut und Zorn, konnte er sich an nichts mehr erinnern.
Er machte noch einen Umweg an jenem dubiosen Drogenschuppen vorbei. Noch ein Problem, dachte er, um das er sich kümmern müsste. Gemeinsam mit Kit würde er demnächst hier aufkreuzen, und dann würden sie dem Treiben, das hier jede Nacht herrschte, ein für allemal ein Ende bereiten. Stella und Dixie durften natürlich nichts von dem Plan erfahren; so wie er sie einschätzte, würden sie sofort mitkommen, und das war viel zu gefährlich.
Als Justin vollbepackt auf Stellas Gartentor zuging, stand die alte Frau aus dem Nachbarhaus zufällig auf ihrer Veranda und sprach ihn an. »Wie geht es Stella denn nun? Ihr
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