Unsterbliche Liebe
unmittelbar nach einem schweren Zerwürfnis zwischen Justin und Gwyltha erschienen. Sollte er sich nun etwa einbilden, er hätte bei Stella auch nur die geringste Chance, könnte er besser gleich auf direktem Weg und ohne Zwischenstopp zum Trinken zurück nach Transsylvanien verschwinden.
10
Stella hätte schreien können, mit den Füßen aufstampfen und spucken, aber sie hatte keinen Speichel mehr und im Stehen schwanden ihre Kräfte. Justin hatte sie aus höchster Not gerettet, und sie hatte sich benommen wie eine hysterische Kuh.
Sie ging in die Küche und griff zum Telefonhörer, um ihn anzurufen und sich zu entschuldigen, war aber zu benebelt und wirr im Kopf, um sich an die Nummer zu erinnern, und schon bei dem Gedanken daran, das Telefonbuch zu nehmen, taten ihre Schultern noch mehr weh als ohnehin schon. Justin hatte recht gehabt. Sie musste sich hinlegen, aber sie wollte auch einiges wissen. Unter Aufbietung aller verbliebenen geistigen Kräfte schaffte sie, Dixie die Nachricht hinzukritzeln, sie möchte sie doch bitte wecken, bevor sie Sam von der Tagesmutter abholte. Es gäbe etwas zu besprechen.
Die Suche nach einem Magneten, um die Notiz an die Kühlschranktür zu pinnen, kostete mehr Energie, als Stella es für möglich gehalten hätte. Auf allen vieren krabbelte sie die Treppe hoch in ihr Schlafzimmer und schleppte sich mit letzter Kraft ins Bett, wo sie der Schlaf im Nu überwältigte.
* * *
»Guten Morgen, Vlad. Was verschafft uns denn die Ehre?« Wie konnte Kit nur so höflich sein? Justin verspürte nicht das geringste Bedürfnis danach, Vlad Tepes zu sehen, aber der Mann stand vor Kits Tor und war eindeutig gekommen, sie zu sprechen.
»Marlowe, Corvus.« Vlad lächelte und neigte den Kopf.
Justin nickte knapp. »Vlad.« Egal ob er an Gwyltha dachte oder die beiden Ghule, diese Kreatur war eine Bedrohung für die ganze Welt.
»Dixie hat mir deine Nachricht ausgerichtet«, sagte Kit. »Wir werden Gwyltha also am Samstag erwarten.«
Vlad nickte nochmals bestätigend. »Der eigentliche Grund für mein Kommen ist allerdings ein anderer. Ich würde mir, wenn es genehm ist, erlauben, dich und deinen Freund um einen nicht unbeträchtlichen Gefallen zu bitten.«
»Was könnte ich denn schon für dich tun, Vlad?«, sagte Kit nicht ohne eine Prise Sarkasmus.
Vlad entschied sich, nicht darauf einzugehen. »Wenn du willst, erkläre ich dir gleich, worum es geht.«
Justin hoffte, Kit würde von seinem Angebot Gebrauch machen, seinen Forderungen gleich hier auf dem Bürgersteig Ausdruck zu geben, aber noch ehe Kit antworten konnte, öffnete Dixie die Haustür und rief: »Wollt ihr da draußen eine Konferenz abhalten oder nicht doch lieber hereinkommen?«
Vlad hatte immerhin genügend Anstand, zu warten, bis Kit ihn hereinbitten würde, vielleicht zögerte er aber auch, ob er es wirklich mit beiden aufnehmen sollte.
Kit zuckte mit den Schultern. »Wenn es etwas zu besprechen gibt, gehen wir doch lieber rein, anstatt den ganzen Vormittag hier draußen herumzustehen.« War es erst Vormittag? Justin hatte den Eindruck, es seien Lichtjahre vergangen seit Stellas verzweifelten Hilferufen. Im Moment jedenfalls sah er sich außerstande, auf Vlads Zumutungen einzugehen; ein dezenter Rückzug wäre ihm lieber gewesen. Aber schon wenig später saßen sie alle im vorderen Wohnzimmer, wobei Vlad, wie Justin mit einem sauren Lächeln bemerkt hatte, dem Gaskamin offenbar ebenso sehr misstraute wie er und sich neben ihm auf dem Sofa platziert hatte.
»Ich will nicht lange stören«, sagte Vlad nach dem Austausch der üblichen Nettigkeiten. »Ich nehme an, Dr. Corvus hat euch schon davon berichtet, dass ich mir unlängst zwei Untergebene zugelegt habe.«
»Du meinst wohl zwei Ghule«, erwiderte Kit. Vlad nickte, wobei er die Kritik geflissentlich überhörte.
»Genau. Zwei junge Puppen, die ich nicht zurück nach Großbritannien mitnehmen will.« Der Mann war unmöglich! Wie konnte er vor Dixie so kaltschnäuzig daherreden! Und glaubte er wirklich, er könnte Gwyltha ruhigstellen, indem er seine beiden Geschöpfe abservierte? »Aber ich will sie nicht hilflos und wurzellos zurücklassen.«
»Warum hast du sie dann überhaupt erschaffen?« Gute Frage von Kit.
Vlad blickte fassungslos in die Runde. »Ich habe sie doch nicht erschaffen!« Er wirkte mehr schockiert als brüskiert. »Marlowe, wir sind zwar nicht die besten Freunde, aber würdest du mir das wirklich zutrauen?« Er wandte sich an Justin. »Du etwa
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