Unsterbliches Verlangen
Justin im dazu passenden Pendant Platz. Ihm gegenüber an der Wand hing ein ziemlich hässlicher Druck, eine Jagdszene. Und ein Original, wie er obendrein bemerkte.
Tom nickte. »Das stimmt, aber bis jetzt war sein Verhalten einwandfrei, und solange er keinem von uns auch nur ein Haar krümmt, kann er sich in dem Garten nach Herzenslust austoben.« – »Ist schon wirklich sehr seltsam.«
»Stimmt, aber apropos seltsam, lass dir mal erzählen, was ich über unsere unnahbare Eisprinzessin herausgefunden habe.«
»Antonia?« – »Gibt’s da mehr als eine?« Tom schwieg, genoss es offenbar, ihn auf die Folter zu spannen, aber Justin wollte, da er ja jetzt informiert war, nur noch so schnell wie möglich aufbrechen in Richtung Bringham. »Spuck es aus, Mann!« – »Unsere Antonia hat einen Liebhaber.«
»War auch höchste Zeit. Wenn du mich fragst, hat sie diesem Larouslière viel zu lange hinterhergetrauert!«
»Über die Geschichte ist sie nun wohl definitiv hinweg. Ich weiß gar nicht, warum sie dieses Hotelzimmer noch bezahlt. Sie verbringt sowieso jede freie Minute mit diesem neuen Kerl. Er …« Tom schüttelte den Kopf. »Vielleicht siehst du ihn dir mal genauer an, Justin. Etwas stimmt nicht mit ihm, aber ich weiß nicht, was. Du bist länger als ich auf dieser Welt zugange, vielleicht fällt dir ja was auf.«
Justin zuckte mit den Schultern. »Lass sie doch, Tom. Wenn sie einen netten Nacken gefunden hat, um daran zu knabbern, viel Glück! Sie ist mehr als alt genug, um auf sich selbst aufzupassen.«
»Das ist es nicht. Er ist merkwürdig, sag ich dir. Etwas scheint mit ihm einfach nicht zu stimmen.«
»Ich seh ihn mir mal an, aber Antonia ist wirklich mehr als stark genug, es mit jedem Sterblichen aufzunehmen, und solange er meine Frau oder meinen Sohn nicht behelligt, kann er so merkwürdig sein, wie er will. Besser du hättest dir über diese Chadwick-Type Gedanken gemacht, als über Antonias neuen Kerl.« Tom wirkte nicht überzeugt. Aber, zum Teufel noch mal, Antonia hatte doch ein Recht auf ein kleines Abenteuer. »Wer ist er eigentlich?«
»Ein Töpfer. Beliefert mit seinen Waren die Galerie.«
»Sieht so aus, als würde sich dieser Beitrag nicht nur auf seine Töpferwaren beschränken.« Ein bisschen Tratsch konnte nicht schaden, aber dafür war er nicht von so weit hergekommen. »Du hast die Stellung tagsüber gehalten; ich übernehme die Nachtschicht.«
* * *
Die Nacht war sternenklar, die Luft noch lau und der Mond noch nicht aufgegangen, als Justin auf Eulenflügeln über Orchard House hinwegsegelte. Alles war friedlich und still. Ein Polizeiauto fuhr vorbei, und aus den offenen Fenstern der Häuser entlang der Straße drangen menschliche Stimmen und Fernsehgeräusche. Auf der anderen Seite des Angers war der Parkplatz des Barley Mow zur Hälfte besetzt, nicht schlecht für einen normalen Wochentag. Von Stellas Auto war nichts zu sehen. Nach einem letzten Blick auf den Verbrechensschauplatz und das in der nächtlichen Brise flatternde Absperrband flog Justin zum Hotel.
Er fühlte sich wie ein Voyeur: Elizabeth saß aufrecht im Bett und aß – gab es für sie nichts anderes? Sie hatte die Vorhänge zugemacht, aber er konnte einen Blick erhaschen, als der Wind sie auseinanderwehte. Stella hatte ihre nicht zugezogen. Licht fiel in den Garten. Justin konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich auf einem Ast in der Nähe niederzulassen und hineinzuschauen. Stella war nirgendwo zu sehen, aber Sam saß im Pyjama auf der Bettkante und sah fern.
Sein Sohn! Den er beschützen würde bis zu dem Tag, an dem er alt wurde und starb. Sam! Als ob er seine Anwesenheit spürte, drehte Sam den Kopf, hob den Blick und lächelte.
»Hi, Dad!«, sagte er, ließ sich vom Bett gleiten und ging auf Zehenspitzen ans Fenster. Woher im Namen Abels konnte er Bescheid wissen? »Fantastisch, dich zu sehen«, flüsterte Sam. »Mum ist unter der Dusche.« Hätte er sich denken können, so wie das Wasser rauschte. Sam streckte den Arm gerade nach vorne. Die Einladung annehmend, ließ sich Justin so vorsichtig wie möglich mit seinen Krallen auf dem weichen Baumwollgewebe nieder. »Wir sollten lieber still sein, wenn du ihr deinen Besuch verheimlichen willst. Uns geht es gut. Ihr macht es Spaß, zu lernen, wie man Webseiten baut, und ich habe einen Freund gefunden. Peter heißt er. Wir haben den Garten erforscht und sind jetzt dabei, ein Lager in dem großen Baum neben der Einfahrt zu bauen. Ehrlich, es ist
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