Unten Am Fluss - Watership Down
folgte.
Es war keine Katze. Das Geschöpf in der Mulde war ein Vogel – ein großer Vogel, beinahe dreißig Zentimeter lang. Keiner von beiden hatte je so einen Vogel gesehen. Der weiße Teil seines Rückens, den sie durch das Gras erspäht hatten, gehörte tatsächlich nur zu Schultern und Hals. Der untere Teil des Rückens war hellgrau, desgleichen die Flügel, die in lange, an den Spitzen schwarze Schwungfedern ausliefen und über dem Schwanz zusammengefaltet waren. Der Kopf war tief dunkelbraun – fast schwarz – und stand in so scharfem Kontrast zu dem weißen Hals, daß der Vogel aussah, als trüge er eine Art Haube. Das eine dunkelrote Bein, das sie sehen konnten, endete in einem Schwimmfuß und drei mächtigen Krallenzehen. Der am Ende leicht nach unten gekrümmte Schnabel war stark und scharf. Als sie hinstarrten, öffnete er sich und enthüllte einen roten Rachen und die Kehle. Der Vogel zischte wie wild und versuchte zuzustoßen, aber er bewegte sich trotzdem nicht.
»Er ist verletzt«, sagte Bigwig.
»Ja das sieht man«, erwiderte Silver. »Aber ich kann nicht sagen, wo er verwundet ist. Ich werde herumgehen –«
»Paß auf!« rief Bigwig. »Der wird dich kriegen!«
Als Silver um die Mulde herumwanderte, war er dem Kopf des Vogels näher gekommen und sprang gerade noch rechtzeitig zurück, um einem schnellen, gezielten Hieb des Schnabels auszuweichen.
»Das hätte dir deinen Fuß gebrochen«, sagte Bigwig.
Als sie dahockten und den Vogel anstarrten – denn beide fühlten intuitiv, daß er nicht aufstehen würde –, brach er plötzlich in laute, heisere Schreie aus – ›Yark! Yark! Yark!‹ –, ein fürchterlicher Laut ganz aus der Nähe, der den Morgen zersplitterte und weit über das Hügelland zu hören war. Bigwig und Silver drehten sich um und rannten davon.
Sie sammelten sich wieder soweit, um kurz vor dem Waldstück anzuhalten und einen würdigeren Anmarsch zur Böschung zu machen. Hazel traf sie im Gras. Ihre aufgerissenen Augen und geblähten Nüstern waren nicht mißzuverstehen. » Elil? « fragte Hazel.
»Um dir die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht«, erwiderte Bigwig. »Da ist ein so großer Vogel draußen, wie ich noch nie einen gesehen habe.«
»Wie groß? So groß wie ein Fasan?«
»Nicht ganz so groß«, gab Bigwig zu, »aber größer als eine Ringeltaube – und sehr viel wilder.«
»Hat der so geschrien?«
»Ja. Er hat mich ganz schön erschreckt. Wir waren direkt neben ihm. Aber aus irgendeinem Grund kann er sich nicht bewegen.«
»Stirbt er?«
»Ich glaube nicht.«
»Ich gehe und schaue ihn mir an«, sagte Hazel.
»Er ist bösartig. Um Himmels willen, sei vorsichtig.«
Bigwig und Silver gingen mit Hazel zurück. Die drei hockten sich außer Reichweite des Vogels hin, der scharf und verzweifelt von einem zum anderen blickte. Hazel sprach im Hecken-Kauderwelsch.
»Du verletzt? Du nicht fliegen?«
Die Antwort war ein rauhes Geplapper, das sie alle sofort für ausländisch hielten. Wo immer der Vogel herkam, es war von weit her. Der Akzent war merkwürdig und guttural, die Sprache verzerrt. Sie konnten hier und da ein Wort aufschnappen.
»Kommen ruhig – Kah! Kah! – Du kommen ruhig – Yark! – Hältst mich erledigt – Ich nicht erledigt – Verletz' dich verdammt viel –« Der dunkelbraune Kopf zuckte von einer Seite zur anderen. Dann, ganz unerwartet, begann der Vogel seinen Schnabel in die Erde zu schlagen. Sie bemerkten zum ersten Mal, daß das Gras davor zerrissen und eingekerbt war. Einige Augenblicke hackte er hierhin und dorthin; dann gab er es auf, hob den Kopf und beobachtete sie wieder.
»Ich glaube, er hat Hunger«, sagte Hazel. »Wir sollten ihn füttern. Bigwig, geh und hole einige Würmer oder so etwas, sei ein guter Kerl.«
»Äh – was hast du gesagt, Hazel?«
»Würmer.«
»Ich soll nach Würmern graben?«
»Hat dich die Owsla nicht gelehrt – oh, schon gut, ich gehe selbst«, sagte Hazel. »Du wartest mit Silver hier.«
Nach einigen Augenblicken jedoch folgte Bigwig Hazel zum Graben und kratzte ebenfalls in der trockenen Erde. Es gibt nicht viel Würmer in den Downs, und es hatte tagelang nicht geregnet. Nach einiger Zeit blickte Bigwig auf.
»Wie war's mit Käfern? Bohrasseln oder so was?«
Sie fanden einige verfaulte Zweige und nahmen sie mit. Hazel schob einen vorsichtig vor.
»Insekten.«
Der Vogel trennte den Zweig in ein paar Sekunden in drei Teile und schnappte die wenigen Insekten auf. Bald lag ein kleiner
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