Unter dem Banner von Dorsai
Ermordung von gegnerischen Befehlshabern ist ein ganz klarer Verstoß gegen den Söldnerkodex und die Artikel der Zivilisierten Kriegsführung – aber Zivilisten können das bewerkstelligen, was Soldaten verwehrt ist.“
Hinter dem Vorhang war noch immer alles still; nichts rührte sich.
„Ein Repräsentant der Gilde“, sagte ich, „unterliegt dem Grundsatz der Unparteilichkeit. Sie wissen, welche große Bedeutung dieses Prinzip für uns hat. Ich möchte Ihnen nur einige Fragen stellen. Und die Antworten werden vertraulich behandelt.“
Ich wartete zum letztenmal … und es gab noch immer keine Antwort. Ich wandte mich um, schritt durch den großen Raum und trat hinaus. Erst als ich ganz draußen und auf der Straße war, ließ ich zu, daß sich das Gefühl des Triumphes in mir ausbreitete und mein Innerstes wärmte.
Sie würden den Köder schlucken. Das war bei Leuten ihres Schlages immer der Fall. Ich stieg in meinen Wagen und fuhr zum Hauptquartier der Exoten.
Es befand sich außerhalb der Stadt. Dort half mir ein Söldner im Kommandeurs-Rang namens Janol Marat weiter. Er führte mich zu den Blasengebäuden ihres Hauptquartiers. Hier im Lager herrschte unterschwellige Siegeszuversicht, ein anregender und aufmunternder Hauch von Aktivität. Die Soldaten waren gut bewaffnet und ausgebildet. Es beeindruckte mich nach dem eher düsteren Bild, das sich mir bei den Quäkern dargeboten hatte. Ich sagte das Janol auch.
„Wir haben einen Dorsai-Kommandeur, und wir sind unserem Gegner zahlenmäßig überlegen.“ Er lächelte mich an. Er hatte ein tief gebräuntes, langes Gesicht, in dem sich viele Falten zeigen, als er die Lippen verzog. „Dadurch sind wir alle ziemlich optimistisch. Außerdem wird unser Kommandeur befördert, wenn er gewinnt. Dann kehrt er mit einem Stabsrang zu den Exoten zurück – von seinem allerletzten aktiven Kampfeinsatz. Sie sehen also, uns bleibt gar nichts anderes übrig, als zu gewinnen.“
Ich lachte und er ebenfalls.
„Doch erzählen Sie mir noch mehr“, sagte ich. „Ich brauche etwas Hintergrundmaterial, das ich für die Berichte verwenden kann, die ich an die Nachrichtendienste weiterleite.“
„Nun …“ – er erwiderte den zackigen Gruß eines vorbeikommenden Gruppenführers, eines Cassidaners, wie es schien – „… ich denke, Sie könnten das Übliche erwähnen: die Tatsache, daß unsere exotischen Auftraggeber für sich selbst jede Gewaltanwendung ablehnen und sich infolgedessen immer weitaus großzügiger als andere gezeigt haben, wenn es soweit war, für Männer und Ausrüstung zu bezahlen. Und daß der Außenbürge … das ist der Botschafter der Exoten hier auf Santa Maria, wissen Sie …“
„Ja, ich weiß.“
„Er hat den früheren Außenbürgen hier vor drei Jahren abgelöst. Nun ja, er ist außergewöhnlich, selbst für jemanden von Mara oder Kultis. Er ist ein Experte in ontogenetischer Kalkulation. Wenn Ihnen das etwas sagt. Mir ist das zu hoch.“ Janol deutete voraus. „Hier ist das Büro des Truppen-Kommandeurs. Sein Name ist Kensie Graeme.“
„Graeme?“ sagte ich und runzelte die Stirn. Ich hätte zugeben können, Kensie Graeme zu kennen, aber ich wollte Janols unbeeinflußte Stellungnahme. „Kommt mir bekannt vor.“ Wir näherten uns dem Bürogebäude. „Graeme …“
„Wahrscheinlich denken Sie an einen anderen Angehörigen der gleichen Familie.“ Janol schluckte den Köder. „Donal Graeme. Ein Neffe. Kensie ist Donais Onkel. Er ist nicht durch so spektakuläre Aktionen hervorgetreten wie der junge Graeme, aber ich wette, Sie finden ihn sympathischer, als das bei seinem Neffen der Fall wäre. Kensie besitzt die Liebenswürdigkeit zweier Männer.“ Er sah mich an, und erneut grinste er andeutungsweise.
„Das hat vermutlich etwas Besonderes zu bedeuten?“ fragte ich.
„Das stimmt“, gab Janol zurück. „Er besitzt nicht nur seine eigene Liebenswürdigkeit, sondern auch die seines Zwillingsbruders. Suchen Sie einmal Ian Graeme auf, wenn Sie in Blauvain sind. Das ist der Ort, wo sich die exotische Botschaft befindet; er liegt östlich von hier. Ian ist ein düsterer Mann.“
Wir betraten das Büro.
„Ich kann mich einfach nicht an die Vorstellung gewöhnen“, sagte ich, „daß so viele Dorsai miteinander verwandt zu sein scheinen.“
„Ich auch nicht. Aber ich nehme an, dieser Eindruck entsteht dadurch, weil sie in Wirklichkeit gar nicht so viele sind. Dorsai ist eine kleine Welt, und jene, die länger als ein paar Jahre
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