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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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scheint, als sei es in einem anderen Leben gewesen – gingen wir ins Freibad. Wir hegten die verwerfliche Hoffnung, aus zwei alarmierenden weltweiten Phänomenen in diesem Jahr einen ganz persönlichen Nutzen ziehen zu können: Dank globaler Erwärmung und sinkender Geburtenraten hatten wir mit einem Bombensommer im weitgehend menschenleeren, zumindest aber kinderfreien Freibad gerechnet.
    Jedoch: Wir wurden enttäuscht. Das Wetter war durchwachsen, das Babybecken randvoll mit Babys und Urin, und vom Fünfer sprangen dicke Teenager, die beim Aufprall auf der Wasseroberfläche eine Detonation auslösten, wie man sie sonst nur aus Katastrophenfilmen kennt.

    Ich muss ehrlich sagen: Ich mag Kinder nicht grundsätzlich. Es gibt angenehme und unangenehme Exemplare. Und nur weil ich bald ein Kind haben werde, muss ich ja nicht automatisch alle anderen auch gut finden. Ich bin schließlich auch verheiratet und mag deswegen nicht alle Männer.
    Mona und ich lagen jedenfalls auf unseren Badelaken und bemühten uns um Nachsicht und ein gleichmäßiges Bräunungsergebnis. Als jedoch ein schlechtgelaunter Säugling sich auf dem Nachbarhandtuch schwungvoll übergab, brachte Mona nicht mal mehr ein schmallippiges Lächeln zustande. «Ich dachte, die Deutschen sterben aus», sagte sie vorwurfsvoll.
    Das tun sie ja auch – obschon man sonntagnachmittags im Freibad wirklich einen anderen Eindruck gewinnt. Ich habe gelesen, dass sich die Zahl der Geburten in den letzten vierzig Jahren fast halbiert hat und in Deutschland mittlerweile jedes Jahr mehr Menschen sterben als geboren werden. Das Kinderloch ist nicht mehr zu stopfen – und meine Freundin Mona ist schuld daran.
    Ich jedoch, ich habe mein Bestes getan!
    Mona ist die fleischgewordene Statistik: Sie ist gut ausgebildet, gut verdienend, gut gelaunt und wünscht sich kein Kind zum vierzigsten Geburtstag, sondern eine vierwöchige Reise durch Südamerika.
    Mona ist neununddreißig, und sie vergisst nicht zufällig mal, die Pille zu nehmen. «Russisches Roulette mit Samen», nennt sie derlei Verhalten. Sie will nicht, wie manch andere Frau in diesem Alter, so eine wichtige Entscheidung dem Schicksal überlassen.
    Ich hingegen habe enorm viel Verständnis für solche Zeugungs-Amokläufe. Irgendwann ist das keine biologische Uhr mehr, die da sanft in dir tickt, sondern ein ausgewachsenes Sprengstoffpaket mit einem Zeitzünder dran, eingestellt auf deinen vierzigsten Geburtstag.
    Als Frau hast du ja komischerweise Zweifel, ob das Leben nach diesem magischen Datum überhaupt weitergeht. Als würde, bedingt durch eine tschernobylhafte Reaktorkatastrophe im Inneren deines Körpers, aus deiner Gebärmutter ein verstrahlter Champignon werden und deine sexuelle Attraktivität in ihre Elementarteilchen zerfallen.
    Ich übertreibe? Nein. Das ist der Grund, warum nicht selten Frauen in dieser prekären Lebensphase Männer heiraten, mit denen sie vorher nicht mal Mittagessen gegangen wären. Oder, ups, aus Versehen schwanger werden, obschon die Verhütung in den letzten zwanzig Jahren doch immer astrein geklappt hat.
    Auf einmal muss alles ganz schnell gehen, ein Erzeuger muss her. Das kann der Tankwart sein, der Kellner des Lieblingsrestaurants oder sonst jemand, von dem man nicht mal den Nachnahmen kennt.
    «Warum willst du kein Kind?», fragte ich Mona.
    «Mir fehlt keins», sagte sie. «Ich mag mein Leben so, wie es ist. Kinder bedeuten Stress. Kinder bedeuten, dass das Leben nicht so weitergehen kann wie bisher. Kinder bedeuten Verzicht. Und weißt du was? Immer mehr Frauen haben zum Glück mittlerweile mehr zu verlieren als ein intaktes Bindegewebe der Bauchdecke und schlappgenuckelte Titten.»
    «Angeblich soll man ja mittlerweile beides haben können: Kind und Karriere», wagte ich einen Einwurf.
    «Daran glaube ich nicht! Ich sehe das doch bei meinen Mitarbeiterinnen mit ihren erbärmlichen Bastelbiographien: Studium, Karrierestart, Schwangerschaft, Babypause, danach Teilzeit in einem schlecht bezahlten Job, der nicht ansatzweise der guten Ausbildung entspricht. Bis es so weit sein wird, dass Frauen es wagen können, Kinder zu bekommen, ohne aus dem Leben zu kippen, und Unternehmen auch bei Männern mit Fehlzeiten wegen der Kinder rechnen müssen, wird es noch dauern. Auf jeden Fall zu lange für mich. Ich will keine Kompromisse machen.»
    «Dann werde doch Vollzeitmutter.» Bei Mona eine absurde Vorstellung, das wusste ich selbst.
    «Ganz bestimmt nicht! Heute kann man sich doch als

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