Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
sprechen. Aber mir war bloß eingefallen, dass ich zwei Tage überfällig war, was für einen pünktlichen deutschen Eierstock wie den meinen eine halbe Ewigkeit ist.
Man kann es im Nachhinein mühsam romantisieren, transzendental überhöhen, aber es bleibt eine Tatsache, dass den meisten Frauen aus sogenannten zivilisierten Ländern ihre Schwangerschaft auf dem Klo bewusst wird.
Schwestern, lasst es uns sagen, wie es ist: Du pinkelst in entwürdigender Haltung auf ein Teststäbchen, und meist geht auch was daneben. Dann wartest du drei Minuten, und egal, wie gründlich du dir die Gebrauchsanweisung durchgelesen hast, das Ergebnis wirst du zunächst nicht verstehen und ergo die Anleitung zum wiederholten Male durcharbeiten müssen.
Ich weiß das so genau, weil ich heute Vormittag fünf verschiedene Schwangerschaftstests gemacht habe.
Der erste hatte zwei schwache rosafarbene Linien gezeigt. Wie war das noch mal? Eine Linie nicht schwanger? Zwei Linien schwanger? Oder genau andersrum?
Ich fischte die Gebrauchsanweisung aus dem Mülleimer und schaute in dem entsprechenden Kapitel noch mal nach.
Zwei Linien. Schwanger.
Ich hatte den Test bestanden. Jedoch, ich hielt das für unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher war, dass ich etwas falsch gemacht hatte oder es sich um ein fehlerhaftes Fabrikat handelte. Womöglich war sogar die ganze Baureihe kontaminiert?
Ich beschloss, in der Apotheke meines Vertrauens vier weitere Tests jeweils unterschiedlicher Hersteller zu kaufen, bloß um ganz sicherzugehen. «Ist für eine zwangneurotische Freundin», murmelte ich an der Kasse, nicht, ohne rot zu werden.
Wenig später war ich mit fünf positiven Ergebnissen verschiedenster Form konfrontiert, darunter besagte rosa Linien, ein Smiley und eine Zahlenfolge, die nur Eingeweihten etwas sagen dürfte: «2 – 3». Der Mercedes unter den Testmodellen hatte mir bereits ausgerechnet, wie lange die Empfängnis in etwa zurücklag, nämlich zwei bis drei Wochen.
Das konnte ich mir jedoch leicht selber und auch sehr viel genauer ausrechnen. Denn der Ehrlichkeit halber möchte ich hier festhalten, dass ich weder den Erzeuger des Kindes noch den Zeugungstermin mühsam recherchieren musste. Ein in Frage kommender Vater. Ein in Frage kommendes Datum, sogar mit genauer Uhrzeit.
Herrje, muss ich mich da wirklich rechtfertigen? Ich bin seit zehn Jahren verheiratet und habe es in diesem Jahr wieder nicht geschafft, meinen Mann zu betrügen. Bin irgendwie nicht dazu gekommen. Ich hatte genug andere Baustellen.
In einem Magazin habe ich gelesen, dass das vergangene Jahr das Jahr der prominenten Seitensprünge war. Erneut ein Trend, den ich verpasst habe – ähnlich wie Crocs, Clogs und Jodhpurhosen.
Auch in meinem Freundeskreis war die Hölle los: Affären flogen auf. Heimliche Liebschaften wurden begonnen. Dunkle, erregende Geheimnisse wurden nach drei Flaschen Wein im Freundinnenkreis ausgetauscht. «Treueschwüre und Gewissensbisse sind was für junge Leute», lautet die Ansicht meiner Freundin Uta. «Ich finde, wer sich in unserem Alter noch über Untreue aufregt, macht sich lächerlich.»
Uta, die beinahe fünfzig und schon sehr lange verheiratet ist, hat jetzt einen Liebhaber und zwei Konfektionsgrößen weniger und fragte mich erst neulich mit glänzenden Äuglein, ob ich beim Sex schon mal auf Latexlaken eingeölt worden sei. Darauf habe ich still geschwiegen, mich aber klammheimlich gefragt, ob man Latex eigentlich in der Maschine waschen kann.
Selbst beim Kurzurlaub im Robinson-Club Çamyuva mit drei bedürftigen Freundinnen war ich wohl der einzige Gast seit Bestehen der Clubanlage, der unberührt wieder nach Hause reiste.
In Çamyuva gibt es angeblich eine Fachkraft, die nur dazu da ist, morgens früh die Kondome vom Strand einzusammeln. Eine Schwäbin, die ich am ersten Abend kennenlernte, kurz bevor sie mit einem Typen Richtung Strand verschwand, hatte mir gesagt: «Wenn du hier keinen abschleppst, dann schaffst du’s nirgendwo. Hier geht alles. Ich hab’s auf sechs Kerle in fünf Tagen gebracht. Und noch ein guter Rat umsonst: Keinen Sex auf den Liegen, die auf der Sonnenwiese stehen. Da wirst du nass, wenn nachts die Rasensprenger angehen.»
Bis zum Tag meiner Abreise war ich nur ein einziges Mal überhaupt angesprochen worden. Heiner war mir harmlos erschienen und irgendwie rührend: sicher weit über sechzig, weißhaarig, gemütlich beleibt und mit dem gütigen Gesicht der Opas, die im Fernsehen für
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