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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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kennenlernen und halbnackt auf Schaumpartys tanzen. Nun ja, nicht ganz, wir hatten uns lediglich tollkühn vorgenommen, halbnackten Menschen zuzuschauen, wie sie auf Schaumpartys tanzen.
    Aber statt mich voll losgelöst dem Hippie-Lifestyle hinzugeben, belauere ich argwöhnisch meinen Bauch. Was geht dadrin wohl vor? Bist du noch da? Teilst du dich eifrig, so wie es sich gehört? Oder hast du mich längst wieder verlassen?
    Ich versuche, mich abzulenken. Sehr schwierig. Mein Mann und ich schlendern durch die Innenstadt, und während ich mir gerade vorstelle, wie es sein wird, eine Familie zu sein, sehe ich vor uns einen wunderschönen, zwei Meter großen Transvestiten, der sich auf absurd hohen, in sich verschlungenen Absätzen bewegt wie eine Raubkatze, kurz bevor sie zum Sprung ansetzt. Da kommt man sich auf einmal doch sehr gewöhnlich vor.
    Ich betrachte verschüchtert und fasziniert ein Mädchen, das auf dem Marktplatz Flamenco tanzt. Lange dunkle Haare, perfekt geformter Körper, sündige Bewegungen und ein Kleid, das nur aus Fransen besteht. Als sie sich umdreht, sehe ich, dass das Mädchen eine Frau in meinem Alter ist.
    Das macht mir nun doch zu schaffen. Eigentlich wäre ich nämlich auch ganz gerne eine rassige Spanierin, die nachmittags auf einem Marktplatz im Fransenkleid Flamenco tanzt.
    Aber ich bin kein wildes Mädchen. Nie gewesen. Immer ein bisschen zu ängstlich, ein bisschen zu brav und immer viel zu freundlich zu Leuten, die es überhaupt nicht verdient haben.
    Außerdem kann ich nicht flirten. Mein Vater war blind, und ich habe nie gelernt, mit etwas anderem als mit Sprache auf mich aufmerksam zu machen. Kokette Blicke, Schmollmündchen, Haare in den Nacken werfen, Hüftschwung und liebreizendes Lächeln waren keine Werkzeuge, die bei uns zu Hause funktionierten.
    Die Regeln beim Flirten habe ich nie begriffen, und alle Männer, denen ich tiefe Blicke zugeworfen habe, habe ich grundsätzlich auch geheiratet.
    Ich gehöre zu den weiblichen deutschen Schlachtschiffen, die gerne mal auf eine freundliche Bemerkung über gutsitzende Haare, Brüste oder Jeans Dinge antworten wie: «Ach, ist nur von H&M» oder «Das muss am schmeichelhaften Licht liegen».
    Warum komme ich mir mit einem tiefen Ausschnitt vor, als würde ich unlautere Mittel verwenden? Warum gucke ich weg, wenn mal einer guckt? Und warum trage ich hohe Schuhe nur zu besonderen Anlässen? So werden sich meine Füße niemals an die Qualen gewöhnen können, und ich werde nie die Diva in mir wecken. Denn die schläft tief.
    Eigentlich wäre ich schon ganz gern eine Frau, die kein bequemes Schuhwerk trägt, unbequeme Wahrheiten ausspricht und nie Speisereste zwischen den Zähnen hat. Die selbstbewusst ist und souverän, wild und mutig, stilsicher und zielsicher. Eine heißblütige Göttin.
    Manchmal arbeite ich daran, die göttlich-weiblichen Anteile in mir auf Vordermann zu bringen. Dann schlüpfe ich statt in die Ballerinas – eine Schuhform, in der nur ein einziger Typ Frau gut aussieht, nämlich die Ballerina – in hochhackige Stiefeletten, lege dunkelroten Lippenstift auf statt «Labello babyrosa» und gucke enorm selbstwertig, während ich im Drogeriemarkt Klopapier kaufe.
    Aber die Göttin wirkt an mir wie ein Kostüm, zwei Nummern zu groß. In entscheidenden Momenten ist meine innere Diva meist außer Haus. Rund um die Uhr dienstbereit sind hingegen die blöde Zicke, das dumme Schaf und das verängstigte Kaninchen.
    Neulich hat sich mal eine gute Gelegenheit ergeben, mein Image aufzupolieren und mich auf dem Markt als rattenscharfer Vamp zu positionieren. Trotz großen inneren Zauderns hatte ich also zugesagt, bei einer Laienmodenschau für einen guten Zweck mitzulaufen.
    Das Erste, was ich dort sehr bald feststellte, war: Frauen, die im Fernsehen schlank aussehen wollen, müssen im wahren Leben dünn sein. Man kann sich also leicht vorstellen, was für eine Figur ich zwischen den Personen aus dem öffentlichen TV-Leben machte.
    Der Stolz auf meine hart er- und umkämpfte Konfektionsgröße achtunddreißig versiegte wie ein Rinnsal an einem besonders heißen Nachmittag in der Wüste Gobi, als ich dummerweise bei der Anprobe zwischen Mareike Carrière, Monica Ivancan und Yasmina Filali zu Stehen kam.
    Ich fühlte mich wie der Koloss von Rhodos inmitten einer Schar besonders zartgliedriger Elfen.
    Während die Kleider der Elfen am Rücken allesamt mit Sicherheitsnadeln enger gemacht werden mussten, um nicht von ihren schmalen

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