Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
Vom Netzwerk:
Mistkäfer?«, rief er den Läufern munter zu. »Schiebt, schiebt, bis Mittag ist es noch weit! Wenn wir in das trockene Flussbett kommen – dann machen wir Rast!«
    »Dass mich doch der nickende Hammer erschlägt …!«, zischte dieselbe böse Stimme wie zuvor kaum hörbar von links her. »Dass dich doch gleich Scharlach mitsamt Aliyat …«
    Zum Glück hörte der Eigner es nicht. Oder er tat zumindest so.
    Aliyat?, ging es Ar-Scharlachi durch den Kopf. Seltsam … Er meint bestimmt irgendeinen Räuber. Aber es ist ein Frauenname … Ziehen jetzt etwa schon Weiber auf Raub aus? Zeiten sind das …
    »Wenigstens der Herr ist einer von uns«, begann der rechts von Ar-Scharlachi gehende Alte wieder zu murmeln. »Aber wenn man zu den Nacktfressen gerät – da quält man sich ab …«
    »Nörgelst du immer noch?«, erkundigte sich der Eigner gutmütig; er war etwas zurückgefallen und ging jetzt auf Höhe des fünften Holms. In die Augen über dem Schleier trat unvermittelt Sorge, zwischen den geraden Brauen erschien eine Falte. »Wenn wir das Flussbett entlangfahren, gehen wir zu Bruch«, teilte er vertraulichen Tones mit. »Da hat der Wind auf der linken Seite solche Dünen angeweht – wir kriegen die Galeere nicht durch. Aber wir müssen ja – was soll man machen?«
    »Und wenn wir uns weiter rechts halten?«, fragte Ar-Scharlachi, denn der Eigner hatte sich allem Anschein nach direkt an ihn gewandt.
    »Weiter rechts …« Der Eigner lachte auf, sein Atem ließ den Schleier wogen. »Weiter rechts fährst du geradewegs Scharlach in die Arme. Dann sieh zu, wie du zu deinem Recht kommst. Vor allem jetzt, nach dem Edikt …«
    Die rötliche Wüste Papalan bleckte große Felsbrocken, narrte sie mit Trugbildern. Schon zweimal war das trockene Flussbett mit den knochenweißen Dünen auf die Galeere zugeglitten, hatte sie gelockt und war wieder hinter den glatten Horizont entwichen. Die Schiffsläufer betrachteten diese grausamen Wunder mit Gleichmut – alle wussten, dass sie bis zum trockenen Flussbett noch weit, weit zu gehen hatten. Trug ist eben Trug …
    Der etwas dümmliche, schiefschultrige Halbwüchsige am dritten Holm, von der ungewohnten Arbeit entkräftet, war wohl der Einzige, der jedes Mal voller Hoffnung die aus dem Nichts auftauchende Sandfläche anstarrte.
    »Was für ein Edikt, ehrenwertester Herr? Irgendein neues?«
    Der Eigner zog mürrisch die Stirn in Falten und ging eine Zeit lang schweigend weiter. Der Schotter knirschte, die Hinterachse quietschte, der heiße Wind riss an den Rändern der Plane.
    »Unserem Herrscher, dem unerforschlichen und unsterblichen«, presste der Eigner schließlich zwischen den Zähnen hindurch, »hat es gefallen, ein Edikt zu erlassen, dass es in den ihm untertanen Ländern keinen Raub mehr gibt.«
    Vor Staunen vergaß Ar-Scharlachi sogar seine Erschöpfung. »Wie das?«, stieß er aufgeregt hervor.
    »Einfach so«, knurrte der Eigner. »Und wenn jemand behauptet, seine Galeere sei überfallen und ausgeraubt worden, dann ist er ein Verleumder und wird bestraft.«
    Eine Weile gingen sie und schwiegen entgeistert. Dann begann die ganze Schiffsseite halblaut durcheinanderzureden, zu flüstern:
    »Was ist denn das nun wieder?«
    »Und man kann sich nicht beschweren!«
    »Tja, Mistkäfer, so ist das …«
    »Und ist die Strafe hoch, ehrenwertester Herr?«, erkundigte sich laut jemand von links. Auf der anderen Seite hatte man das Gespräch also auch verfolgt.
    »Schiff und Waren werden beschlagnahmt«, antwortete der Eigner trocken, »man selber kommt in die Quecksilberminen, Schilde verspiegeln.«
    »Och …«, erklang es gleich unter mehreren Schleiern hervor. Die Minen waren gefürchtet. Dann schon lieber in einer Kriegsgaleere an die Kette – in Finsternis, Enge und Gestank mit den Füßen das Laufrad treten …
    »Schade …«, ließ sich Ar-Scharlachi laut und nachdenklich vernehmen. Und nach einer Kunstpause erklärte er in der eingetretenen Stille, die nur vom Knirschen des Schotters und vom Quietschen der Hinterachse durchbrochen wurde: »Schade, dass ich, als ich im Hafen Sibra betrunken war, überhört habe, wie dieses großartige Edikt verkündet wurde …«
    Der Eigner blinzelte und schaute Ar-Scharlachi an. Der Halbwüchsige am dritten Holm schniefte ängstlich. Links lachte jemand laut auf.
    »Nein, wirklich! Die göttliche Weisheit unseres Herrschers versetzt mich bald in Angst, bald in Schrecken«, fuhr Ar-Scharlachi ungerührt fort – er spürte, wie die

Weitere Kostenlose Bücher