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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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bewirken, dass man sich für seine Verfehlungen in Grund und Boden schämte, wie Maya aus eigener Erfahrung wusste. »Aber«, beeilte Gerald sich fortzufahren, wohl um einem Einwand Richards zuvorzukommen, »du setzt ja auch alles daran, deinem Ruf als Sonderling und Quertreiber Ehre zu machen, wo du nur kannst. Wenn ich dich nur an deine lauten Partys und bösartigen Karikaturen von Professoren und Tutoren erinnern darf. Und im ersten Trimester einen anderen Studenten zum Duell herauszufordern – dazu gehört schon eine gehörige Portion Dreistigkeit.«
    Jene Episode war unter den Studenten Oxfords legendär. Richard Burton hatte sich kaum an der Universität eingeschrieben, als ihn ein Student eines höheren Jahrgangs wegen seines Oberlippenbartes verhöhnte, den Richard nach italienischer Mode schmal und mit langen, herabhängenden Enden trug. Er hatte sich höflich verbeugt, seine Karte überreicht und die Spottdrossel aufgefordert, die Waffen zu wählen. Duelle waren offiziell verboten, und der ältere Student nahm Richards Fehdehandschuh nicht auf. Dennoch hatte sich Richard Burton dadurch gleich zu Beginn mit erheblichem Aufsehen an der ehrwürdigen Universität einen Namen gemacht.
    »Wer wie ich auf dem Kontinent aufgewachsen ist, versteht solche Feinheiten ritterlichen Verhaltens, die hier offenbar gänzlich unbekannt sind«, verteidigte Richard sich hitzig.
    Doch Gerald zeigte wenig Neigung, dieses Thema weiter zu vertiefen. »Was wird aus deinen Kommilitonen, die ebenfalls dem Rennen beigewohnt haben?«
    »Verweisung vom College bis zum Ende des Trimesters. Mehr nicht.« Richard klang enttäuscht.
    »Tja, mein Lieber«, seufzte Gerald und fuhr mitfühlend fort, »da bist du wohl ein wenig zu weit über dein eigentliches Ziel hinausgeschossen. Ich kann dich verstehen – auch mein Vater war nicht glücklich, dass ich damals nicht der Familientradition gefolgt und Arzt geworden bin wie er. Aber genauso brauchte es Zeit, bis ich begriff, dass mein Sohn zwar hervorragende Noten in Latein und Griechisch erzielt, aber mehr Interesse für das aufbringt, was in der Natur kreucht und fleucht, denn für alte Schriften.« Er sog deutlich hörbar ein paar Mal an seiner Pfeife. »So verlässt du also in Ungnade diese heiligen Hallen. Bedauerlich. Äußerst bedauerlich. Mir sind bislang nur wenige Studenten begegnet, deren Verstand und Fähigkeiten sich mit deinen vergleichen ließen. Andererseits gehört ein Freigeist wie du kaum an eine solche Institution. Was hast du jetzt vor?«
    »Mich aufmachen, in die Kolonien von Südaustralien, Queensland, New South Wales, oder in die Vereinigte Provinz von Kanada. Von mir aus auch zur Schweizer Garde nach Neapel oder gar zur Fremdenlegion – nur so weit weg von diesem kalten, nassen Inselchen und seinen engstirnigen Bewohnern wie möglich!« Er klang so zornig und verzweifelt zugleich, dass es Maya im Innersten berührte. »Am liebsten wäre mir jedoch Indien. Ich hoffe darauf, meinen Vater davon überzeugen zu können, mir ein Offizierspatent zu kaufen, noch ehe der Krieg in den Bergen im Nordwesten Indiens vorüber ist. Womöglich bin ich zu nichts anderem zu gebrauchen, als für einen Sixpence pro Tag von den Afghanen beschossen zu werden.« Seine Worte zeugten von tiefer Bitterkeit. »Ich brenne darauf, den Afghanen eine Lektion zu erteilen – allein für das Massaker an den Soldaten und Zivilisten der Garnison von Kabul im Januar! Selbst im Krieg sollte so etwas wie Ehre gelten.«
    »Aber in der Armee, Richard –   «
    »Ich weiß«, gab dieser verdrossen zurück, »auch dort müsste ich meinen freien Geist« , er legte einen bissigen Ton in die beiden letzten Worte, »im Dienst unterjochen lassen. Doch dort kann ich wenigstens Sprachen lernen. Sprachen, für die es noch keine Wörterbücher oder Grammatiken gibt. Sprachen, mit denen ich mich unter die Menschen dort mischen könnte, als sei ich einer von ihnen, um so ihre Sitten und Bräuche zu studieren. Wäre ich vermögend, so könnte ich mir den Luxus erlauben, auf eigene Kosten zu reisen und –   «
    »Du sollst doch nicht lauschen«, zischte ein feines Stimmchen hinter Maya, und sie fuhr herum. Zwei Treppenstufen über ihr stand Angelina, in dem gleichen weißen Nachthemd, wie es auch Maya trug. Mit ihrem glänzenden, blonden Haar, das auf unzählige kleine Papierstreifen aufgedreht war, sah sie aus wie ein kleiner Engel – oder vielmehr wie ein zürnender Engel, so strafend blickte ihr Kindergesicht

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