Unter dem Weihnachtsbaum in Virgin River (German Edition)
bis zur Besinnungslosigkeit verprügeln. Aber sie würde ihn nicht nur niemals zurückhaben wollen, sie würde die Straßenseite wechseln, um ihm aus dem Weg zu gehen. Daher könnte ihre Mutter recht haben. Vielleicht hatten sie in Wirklichkeit beide die ganze Zeit gewusst, dass er nicht der Richtige war.
Aber dafür kam auch sonst niemand infrage. Seit der Trennung vor etwas mehr als sechs Monaten hatte sie nicht mal fünf Dates gehabt, und die Zahl ihrer Freunde vor Ed war so gering, dass sie nicht einmal nachzählen musste. Regelmäßig ging sie mit ihren Freundinnen aus, aber am schönsten war es immer, wenn sie mal zwei Tage auf der Farm verbringen konnte, wo sie ritt oder zusammen mit ihrer Mutter kochte, backte und Obst einkochte.
Das Haus auf der Farm verfügte über eine breite Veranda, die sich über die ganze Länge der Hauswand erstreckte, und von dieser Veranda aus konnte man zuschauen, wie die Jahreszeiten kamen und gingen. Das helle Licht im Frühling, die Pracht des Sommers, die verbrannten Farben im Herbst und die weißen Winter. Schon als Kind hatte sie von dieser Veranda aus beobachtet, wie das Jahr vorüberzog. Aber neuerdings kam es ihr vor, als würden die Jahre viel zu schnell vorüberziehen, und sie fragte sich, ob sie jemals den richtigen Partner finden würde, mit dem sie zusammen dort sitzen könnte anstatt allein.
Ein Hollywoodgirl? Eine dieser schicken Frauen aus Hollywood? Das würde einiges erklären, wie zum Beispiel den Urlaub in der Karibik. Nate zog es zu den sexy Frauen der Schickeria. Oder auch zu den Frauen, die man bei Rennen oder Pferdeshows in den Privatboxen fand. Annie hatte genügend Ereignisse dieser Art im Fernsehen gesehen, um den Typ zu kennen: schön wie Models, Designerklamotten, handgefertigte Stiefel, massenhaft Fransen und Klunker. Vielleicht aber auch der Typ, den man bei Wohltätigkeitsveranstaltungen und gesellschaftlichen Ereignissen antraf, die von den Frauen, Töchtern und Schwestern der Vollblutzüchter frequentiert wurden, die Art von Frauen, deren Pferde zum Preakness Stakes zugelassen wurden. Aber vielleicht bevorzugte er auch Frauen mit einer medizinischen Ausbildung, wie zum Beispiel eine Tierärztin, die seine beruflichen Interessen teilte. Eine Frau, die sich wie er berufsbedingt in der Welt der Schönen und Reichen bewegte.
Gewöhnliche Mädels vom Lande in vernünftigen Schuhen dürften dagegen auf einen Mann wie Nate wohl kaum einen besonderen Eindruck machen.
Annie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ihr Vater in die Küche kam und sich eine Tasse frischen Kaffee eingoss. Er stemmte sich eine Hand ins Kreuz, streckte sich, bog den Rücken durch und rollte die Schultern.
„Kann es sein, dass du hinkst, Dad?”
„Nee. Hab nur ein kleines Problem damit, in die Gänge zu kommen, weiter nichts.”
„Sobald ich diese Welpenaktion hinter mir habe, will ich auf jeden Fall öfter herkommen und helfen.”
„Der Arzt sagt, es ist das Beste für ihn, wenn er sich viel bewegt”, sagte Rose. „Du hilfst uns schon genug.”
„Du erinnerst dich nicht an diese tolle Hollywoodfrau?”, fragte Hank, indem er an das Gespräch anknüpfte, das er mitgehört hatte. Ohne eine Antwort abzuwarten, fügte er hinzu: „Die kleinste Brise hätte sie umgepustet. So ein dürres Ding war das. Da konnte man die Knochen zählen. Die hat überhaupt nicht zu Nathaniel gepasst.“ Er trank einen Schluck Kaffee, hob seine buschigen Brauen und sah sie über den Rand seines Bechers hinweg an. „Du wärst da schon eher seine Wellenlänge, denke ich. Jawohl, besser Nathaniel als dieser Sohn einer So-und-So, mit dem du dich eingelassen hast.”
„Hast du vergessen, dass ich bis vor ein paar Tagen nicht einmal wusste, dass Nate Jensen überhaupt hier ist?”, stellte Annie klar. „Und davor war ich mit dem Sohn einer So-und-So zusammen und Nate war in festen Händen.”
„Stimmt, du hättest dieses dürre Ding um die Ecke bringen müssen, aber sie sah eh aus, als würde sie es nicht mehr lange machen.“ Dann grinste er sie an und verließ die Küche.
„Wird Nathaniels Familie über Weihnachten kommen?”, fragte Rose.
„Er hat mir erzählt, dass seine Eltern mit den Schwestern und deren Familien tatsächlich eine Kreuzfahrt machen. Und so, wie er es erzählt hat, glaube ich, dass er sich vom Schiff stürzen würde, wenn er dabei wäre. Total ironisch hat er gesagt, dass es ihm zwar wahnsinnig schwerfallen würde, das Shuffleboarding zu verpassen, aber damit
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