Unter dem Weihnachtsbaum in Virgin River (German Edition)
plauderte. „Weißt du, solche Leute trifft man hier in der Gegend nicht sehr oft. Sie hätte gut ein Jahr hier sein können, bevor man sie überhaupt einmal kennengelernt hätte, aber Nathaniel hat sie überall herumgeschleppt. Wahrscheinlich hat er versucht, ihr dabei zu helfen, Bekanntschaften zu schließen. Aber ich schätze, das ist wohl nicht allzu gut gelaufen.”
„Ich bin mir sicher, dass ich mich daran erinnern könnte, Mom. Ich glaube nicht, dass du das je erwähnt hast.”
Rose drehte die Augen kurz zum Himmel, während sie versuchte, sich zu erinnern. „Es könnte in der Zeit gewesen sein, als du mit anderen Dingen beschäftigt warst. Wie zum Beispiel dein Geschäft zu kaufen. Und dann war da auch noch Ed. Und der ganze Stress mit Ed. Gut möglich, dass du andere Dinge im Kopf hattest.”
Ed. Ja, Ed. Sie war zwar, Gott sei Dank, nicht direkt mit ihm verlobt gewesen, aber ungefähr ein Jahr lang war das ein Thema, und sie hatte mit der Verlobung gerechnet. Sie
hatten
von Ehe gesprochen. Annie lachte humorlos. „Richtig, das könnte mich allerdings leicht abgelenkt haben.”
„Dieser Penner”, murmelte Rose McKenzie und schlug etwas aggressiver auf den Teig ein, als nötig gewesen wäre. „Er ist ein Schwein und ein Idiot und ein Lügner und e…ein Penner!”
Annie freute sich darüber und lachte. „Ein Penner ist er eigentlich nicht. Er arbeitet hart und hat ein gutes Einkommen, und das brauchte er auch für all die Frauen, die er – wie sich herausgestellt hat – am Gängelband hielt. Aber Schwein, Lügner, Idiot … das will ich zugeben. Und mit Sicherheit vermisse ich ihn nicht. Diesen Lumpen”, fügte sie hinzu. „Ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern: Weshalb hatten wir den Jungs eigentlich nicht erlaubt, ihm einen Kopfschuss zu verpassen?”
„Weiß ich auch nicht mehr so genau”, antwortete Rose. „Aber ich wusste die ganze Zeit, dass er nicht der Richtige für dich war.”
„Nein, das stimmt nicht”, erwiderte Annie. „Mindestens einmal im Monat hast du mich dein Hochzeitskleid anprobieren lassen, und dann hast du mich ständig gefragt, ob wir schon über ein Datum geredet hätten. Du hast erwartet, dass er mir einen Ring schenkt.”
„Ich dachte nur,
falls
…”
Ed verkaufte Landmaschinen und deckte in Nordkalifornien ein großes Gebiet ab, ein Job, bei dem er den größten Teil der Woche unterwegs war. Dann hatte Annie erfahren müssen, dass er während der ganzen Zeit, in der sie mit ihm zusammen gewesen war, auch noch ein Verhältnis mit einer anderen Frau in Arcata hatte. Vor etwa sechs Monaten hatte er nämlich beschlossen, dass es an der Zeit sei, sich zu entscheiden, und er hatte die andere Frau gewählt.
Autsch.
Annies Stolz war verletzt, aber mehr als an verletztem Stolz litt sie darunter, dass es ihr ungeheuer peinlich war. Wie konnte das so lange gehen, ohne dass sie auch nur das Geringste geahnt hatte? Wenn sie sich nicht sahen, hatten sie doch jeden einzelnen Tag miteinander telefoniert. Es hatte nie auch nur den leisesten Hinweis gegeben, dass sie nicht das einzige weibliche Wesen in seinem Leben sein könnte. Und der Gedanke daran, dass er während ihrer Beziehung mit einer anderen Frau zusammen war, machte sie wütend. Sie war sogar nach Arcata gefahren, um sie sich heimlich einmal anzusehen, aber rein äußerlich konnte sie einfach nicht erkennen, was es denn sein sollte, das dieser Frau den Großen Preis, also Ed, eingebracht hatte.
Bevor Annie aber noch lange darüber nachdenken konnte, hatte diese Frau aus Arcata dann
sie
ausfindig gemacht. Sie hatte Annie aufgesucht und davon in Kenntnis gesetzt, dass sie beide nicht die Einzigen waren. Wie es aussah, war Ed ein ziemlicher Schwindler. Er hatte zumindest noch eine weitere feste Freundin, mit der er die Nächte verbrachte.
Annies Tränen verwandelten sich nun in schäumende Wut, und sie warf alles weg, das sie an ihn erinnerte. Sie kaufte komplett neue Bettwäsche und Handtücher. Dann ging sie zum Arzt, um sich zu vergewissern, dass sie gesund war. Aber letztendlich war es so, dass sie sich weniger um Ed selbst grämte als um ihre
Vorstellung
von Ed. Ein Jahr hatte sie in den Mann investiert, von dem sie geglaubt hatte, dass er ihr die Beständigkeit von Ehe und Familie bieten würde, ein ruhiges Leben. Es war wie eine Sucht nach Liebe und Sicherheit. Wenn sie an Ed dachte, hätte sie ihn am liebsten in Stücke gerissen. Sie wünschte sich, ihre Brüder würden ihn verfolgen und
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