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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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Mädchen mit deutlicher Stimme. »Das Opfer ist angenommen.«
    Aschure saß eine ganze Weile zitternd und mit Schra auf dem Schoß am Tisch und starrte auf den Leichnam ihres Vaters.
    Sie hatte ihn umgebracht. Sie hatte ihn ermordet. Die beiden Sätze rasten ihr immer wieder durch den Kopf. Mörderin – daran ließ sich nichts beschönigen, anders konnte man sie nicht nennen.
    Und jedesmal, wenn sie daran dachte, überkam sie ein neuer Brechreiz. Mörderin.
     
    Aschure hatte ihn nicht töten, sondern nur das Kind schützen und vor ihm fliehen wollen.
    Irgendwann riß die junge Frau sich zusammen. Sie durfte jetzt nicht hierbleiben. Wenn die Dörfler den Toten entdeckten, brächten sie seine Mörderin unweigerlich um. Und danach würden sie den Awaren und das kleine Mädchen auf dem Scheiterhaufen verbrennen.
    Und damit wäre alles umsonst gewesen.
    Rasch wischte Aschure sich das Gesicht und dem Kind die Hände ab und legte das blutbeschmierte Tuch auf den Tisch zurück. »Komm jetzt«, forderte sie das Mädchen flüsternd auf, wickelte es wieder in die Decke und zog ihren Umhang zurecht. Damit verließ sie, ohne einen Blick zurückzuwerfen, das Haus, das sie fast achtundzwanzig Jahre lang ihr Heim genannt hatte.
    Draußen nahm die junge Frau den Mantel an sich, den sie für den Awaren bereitgelegt hatte, und schlüpfte durch die Hintertür ins Bethaus.
    Durfte sie den Rest des Plans überhaupt noch durchführen, nachdem die ersten Schritte zu einer solchen Katastrophe geführt hatten?
    »Ich muß es einfach tun«, murmelte Aschure, zu allem entschlossen, »muß den Fremden und das Mädchen retten. Wenn wir hierbleiben, sind wir alle des Todes.«
    Sie zwang sich zur Ruhe, um gründlich über ihr weiteres Vorgehen nachzudenken. Zuerst mußte sie herausfinden, wie viele Wachen man vor der Zelle zurückgelassen hatte. Aschure lief die Treppe hinunter und gab sich keine Mühe, besonders leise aufzutreten. Der Verdacht sollte gar nicht erst aufkommen, daß sie heimlich etwas unternahm.
    Als sie den Keller erreichte, klammerte sich das Kind noch fester an sie. Aschure beruhigte es mit einem Lächeln und atmete dann erleichtert aus. Nur ein Mann stand vor der Zelle Wache. Doch die junge Frau hatte sich zu früh gefreut; denn auf den zweiten Blick erkannte sie, daß es sich bei ihm um Belial handelte, den Leutnant des Axtherrn. Aschure verbarg ihre Enttäuschung hinter einem noch breiteren Lächeln. Im Grunde war ihr dieser Offizier nicht einmal unsympathisch; denn er besaß ein offenes, freundliches Gesicht und wußte in kritischen Situationen, was zu tun war. Belial mochte nicht unbedingt ein Held sein, aber er hatte schöne haselnußbraune Augen, an deren Rändern sich jetzt Fältchen bildeten, als er sie verwundert ansah. Die junge Frau wollte ihn nicht verletzen, aber sie mußte den Awaren retten, und dazu war ihr jedes Mittel recht.
    »Was wollt Ihr hier zu so später Nachtstunde?« fragte der Leutnant und erhob sich. Er wirkte weniger mißtrauisch als vielmehr überrascht. Gut so.
    Aschure gab sich ganz freundlich und unschuldig und zeigte auf das Mädchen. »Schra wollte ihren Vater sehen, und sie hat mich so lange geplagt, daß ich nicht mehr anders konnte, als sie hierherzubringen.« Mit verschwörerischer Miene beugte die junge Frau sich näher zu Belial und flüsterte ihm zu: »Und nachdem ich weiß, was sie morgen früh erwartet, nun, da konnte ich ihr den Wunsch doch wohl schlecht abschlagen, oder?«
    Der Soldat verlor nun auch den letzten Argwohn. Immerhin hatte diese junge Frau heute nachmittag mehr als alle anderen Dorfbewohner bewiesen, daß sie Mut und ihren eigenen Willen besaß. Davon abgesehen war Aschure ausgesprochen hübsch. Der junge Mann reagierte sonst recht schüchtern, wenn er sich einer schönen Frau gegenübersah. Aber die Tochter des Priesters stellte ihre Reize nicht überdeutlich zur Schau und versuchte auch sonst nicht, seine Verlegenheit auszunutzen. Also tätschelte er dem Mädchen etwas unbeholfen den Kopf. »Armes kleines Ding.«
    »Ja, wirklich zu schade«, entgegnete Aschure nur, wollte sich aber auf kein längeres Gespräch mit ihm einlassen. Der Aware regte sich in seiner Ecke. Die junge Frau erkannte, daß man ihm Wasser und wärmere Sachen für die Nacht gegeben hatte. Das traf sich gut. Aschure biß die Zähne zusammen. Nur Mut, Mädchen! rief sie sich in Gedanken zu. Du hast heute bereits einen Menschen umgebracht, und der war immerhin dein Vater. Da sollte es dir nicht

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