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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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verspürte aber nur wenig Mitgefühl für den Pflughüter. Der Mann war schließlich ein Feigling und ein Trottel – und grausam obendrein. Aschure hatte ihn gehaßt, solange sie zurückdenken konnte. Seine widerliche Art hatte ihre Mutter vertrieben, und nach deren Weggang hatte Hagen sich darauf verlegt, seiner Tochter das Leben unerträglich zu machen. Die Gewalt, die der Axtherr gegen ihren Vater angewandt hatte, stellte nur einen Bruchteil der Mißhandlungen dar, die sie während der zurückliegenden zwanzig Jahre hatte erdulden müssen. Bis heute nachmittag hatte die junge Frau in ihren Haß auf die Kirche auch die Axtschwinger mit eingeschlossen. Ihr Zorn auf den Seneschall wurde nur noch von dem auf ihren Vater übertroffen. Nun mußte Aschure sich allerdings – wenn auch zögernd – eingestehen, daß sie Respekt vor dem Axtherrn und seinem Leutnant empfand. Die beiden hatten den Gefangenen und das Kind mit Achtung und Mitgefühl behandelt.
    Während sie die Kleine wusch und neu einkleidete, erwachte in ihr ein bestimmter Gedanke zu neuem Leben, und der versetzte sie in ungeheure Aufregung. Seitdem ihre Mutter durchgebrannt war, hegte Aschure den heimlichen Wunsch, eines Tages ebenfalls die Gelegenheit zu erhalten, aus Smyrdon fortzulaufen. Und heute nacht schien der Wunsch in Erfüllung zu gehen. Die Ankunft des Axtschwingerheers sorgte für ausreichend Ablenkung, und die Dörfler hatten darüber hinaus genug damit zu tun, sich über den tätlichen Angriff des Axtherrn auf ihren Priester den Mund zu zerreißen. Die junge Frau nahm sich nicht nur vor, heute nacht zu entfliehen, sondern auch den beiden Gefangenen das Leben zu retten. Seit Jahren schon versuchte sie Goldfeder davon zu überzeugen, daß sie den awarischen Kindern helfen und man ihr durchaus vertrauen könne. Und nun schien Aschure auch das unter Beweis stellen zu dürfen.
    Die junge Frau war vor etwa zwölf Jahren, da war sie fünfzehn gewesen, auf Goldfeders Geheimnis gestoßen. Angetrieben von dem dringenden Bedürfnis, Hagen zu entkommen, hatte sie sich oftmals nachts aus dem Haus geschlichen und sich außerhalb des Orts auf einen Hügel gesetzt. Dort betrachtete Aschure die Grenzberge und die dunklen Schatten der dahinterliegenden Berge. Und in einer Nacht huschten dann Gestalten aus dem Verbotenen Tal. Eine Menschenfrau führte die kleine Gruppe an, einen Awaren und zwei kleine Kinder. Sie huschten an Smyrdon vorbei und verschwanden auf der Seegrasebene. Während der folgenden Monate sah Aschure die Frau mehrmals wieder und folgte ihr erst ein Stück und dann auch über längere Entfernungen. Und schließlich kam der Tag, da sie sich durch ein unvorsichtiges Geräusch verriet. Die Fremde hörte sie sofort.
    Aschure konnte in jener Nacht von Glück sagen, mit dem Leben davonzukommen. Der Aware mit den Kindern wurde ungeheuer wütend und hätte sich wohl auf die Spionin gestürzt, wenn Goldfeder ihn nicht davon abgehalten hätte. Und danach tröstete sie das erschrockene Mädchen. Die beiden Frauen hatten etwas später innige Freundschaft geschlossen. Sie trafen sich ungefähr dreimal im Jahr und redeten dann die ganze Nacht hindurch. Goldfeder erzählte ihr etwas von ihrem Leben unter den Awaren, wollte aber im Gegenzug nie etwas von den Sitten und Gebräuchen der Achariten hören. »Mein früheres Leben ist vorbei und erledigt, Aschure«, erklärte sie mit einem traurigen Lächeln, »und ich habe längst ein neues begonnen.« Die junge Frau behielt ihre Freundschaft für sich und erzählte niemandem im Ort davon. Und manchmal, wenn Aschure sich besonders einsam fühlte, stellte sie sich vor, Goldfeder sei ihre verschwundene Mutter.
    Jetzt lächelte sie das Mädchen an, das sie im Arm hielt. Die Kleine hatte überall blaue Flecke und Wunden, aber insgesamt machte sie schon einen deutlich besseren Eindruck als zuvor. Aschure gab Schra zu essen und beobachtete erleichtert, daß das Mädchen etwas zu sich nahm und auch Wasser trank. Die junge Frau drückte und herzte das Kind, denn sie hoffte, eines Tages selbst einen Sohn oder eine Tochter zu haben. Aber nur, wenn sie sich dafür keinem dieser Narren aus Smyrdon hingeben mußte! Nein, Aschure würde aus dem Dorf fliehen und ein erfülltes und abenteuerliches Leben führen. Und einen Helden finden, der der Vater ihrer Kinder werden sollte. Aschure lächelte, denn sie zweifelte keinen Augenblick lang daran, daß dieser Held genau dann zur Stelle sein würde, wenn sie ihn brauchte.
    Die junge

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