Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
sah den Flocken zu. Dann zahlte ich und ging hinaus in den Schnee. Diesmal ging ich auf direktem Wege zurück und versuchte dabei, mein Gesicht vor dem Wind zu schützen. Ich sah, wie Bill Brandow unmittelbar vor mir durch die Tür ging, aber als ich in der Eingangshalle stand, war er schon in seinem Büro verschwunden.
Ich ging zur Dame am Empfang und fragte sie, ob der Sheriff Zeit habe. Sie griff zum Telefon, sprach einige Sekunden mit ihm und sah dann mich an. »Und Sie sind …«
»Ich bin der Drogenkönig, nach dem weltweit gefahndet wird.«
»Okay«, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie übermittelte Brandow meinen Titel und betrachtete mich, während sie dem lauschte, was Brandow jetzt am anderen Ende von sich geben mochte. »Der Sheriff kann Sie jetzt empfangen«, sagte sie schließlich.
»Vielen Dank«, sagte ich. Ich ging durch seine Tür und fand ihn mit einer Zeitung an seinem Schreibtisch.
»Jedesmal, wenn Sie hier reinkommen,« sagte er, »schleppen Sie genug Schnee rein, um einen Schneemann zu bauen. Übrigens sehen Sie furchtbar aus.«
»Warum haben Sie mir nicht gesagt, daß die beiden von der Bundesdrogenbehörde waren?« fragte ich.
Er legte die Zeitung nieder. »Sie haben mich gebeten, Sie hinzuhalten«, sagte er. »Ich war darüber nicht glücklich, das können Sie mir glauben.«
»Die können doch überhaupt keinen Druck auf Sie ausüben«, sagte ich. »Sie sind zum Sheriff gewählt worden.«
»Sie haben mich um eine Woche gebeten, Alex. Klar hab ich ihnen gesagt, es sei reine Zeitverschwendung, Sie zu beschatten. Aber sehen Sie mal, immerhin sind es Agenten der Bundesregierung. Ich wollte doch nur alles richtig machen. Sie waren doch selbst mal Polizist. Sie wissen doch, wie so was geht. Ich hatte keine andere Wahl.«
»Natürlich nicht«, sagte ich. »Deshalb haben Sie ja auch heute morgen Ihre Deputies losgeschickt, um meine Hütten zu durchsuchen.«
»Andernfalls wären ihre eigenen Leute gekommen. Die hätten Ihre Hütten vielleicht auseinandergenommen! Ich habe mir gedacht, daß wir so etwas behutsamer sein konnten.«
»Ihre Rücksichtnahme hat mich wirklich gefreut«, sagte ich. »Erinnern Sie mich doch dran, daß ich den Deckel übernehme, wenn wir das nächste Mal einen trinken.«
»Das haben wir mal gemacht. Und nur ein einziges Mal. Es ist nicht so, als ob wir die dicksten Freunde seien.«
»Nein«, sagte ich. »Das sind wir nicht. Und werden es auch nie sein. Weil ich nicht von hier bin, stimmt’s? Ich bin nicht hier geboren. Ich bin hier nicht aufgewachsen. Egal wie lange ich hier lebe, für Sie werde ich immer ›der von da unten‹ sein. Ich werde immer ›von hinter der Brücke‹ sein.« Diesen Ausdruck hatte ich immer wieder in den Kneipen im ganzen County gehört. Die Brücke ist in diesem Fall natürlich die Mackinac-Brücke über die Mackinac-Straße, die die Obere von der Unteren Halbinsel Michigans trennt. Damals, in den Sechzigern und Siebzigern, als ich da unten in Detroit, wo alles um mich brannte, Polizist war, hat eine ganze Reihe Typen hier oben ernsthaft darüber gesprochen, die Brücke in die Luft zu jagen. Sie hatten eine Todesangst, wir würden alle hier raufkommen und die Obere Halbinsel in den Untergang treiben.
»Nur einen Tag noch«, sagte er. »Dann hätte ich sie veranlaßt, direkt den Kontakt mit Ihnen aufzunehmen. Wenn Sie damit nicht zufrieden sind, weiß ich nicht mehr, was ich sonst noch sagen soll.«
»Was für ein Morgen«, sagte ich. »Da habe ich immer gedacht, Sie sind der Gute und Maven ist der Böse. Und jetzt sind Sie es, der vor diesen Clowns Männchen macht, und er ist derjenige, der ihnen die Meinung geigt.«
Er verschränkte die Hände und sah mich an. »Sind Sie langsam fertig?«
»Ich bin restlos fertig«, sagte ich. »Man sieht sich.«
Ich verließ sein Büro und ging einige Minuten in der Eingangshalle auf und ab und versuchte, einigen Sinn in die Geschehnisse des Morgens zu bringen. Es gelang mir nicht. Um neun ging ich zum Gerichtsgebäude hinüber und sah zu, wie die Anzeigen gegen mich zurückgenommen wurden. Noch schöner wäre es natürlich gewesen, wenn Champagne und Urbanic auch noch zugesehen hätten, aber zuviel darf man vom Leben schließlich nicht verlangen. Als ich als freier Mann weggehen konnte, suchte ich nach meinem Lastwagen und fand ihn auf dem Parkplatz hinter dem City-County-Gebäude. Ich ging rein und fragte nach meinen Schlüsseln. Nach einigen Minuten nervösen Rumsuchens fand ein
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