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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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zu m achen brauc h t.«
    »Heißt das, du wirst m i c h auch anhimmeln? Das n i m m t sie dir nie ab, und außerde m , soweit ich m i ch erinnere, fand sie m i ch als Kind schrecklich.«
    »Mich auch, m eistens, und außerdem warst du schrecklich. Aber wenn sie denkt, wir seien ein Paar, dann ent k r a mp f t sie si c h in m einer Gegenwart vielleicht wiede r . O h, und keine W itze über Nazis, bitte.«
    Die leichte Wölbung von Mariann e s Bauch war im m er noch nicht verschwunden, ein bitterer Hohn. I h re vierunddreißig Jahre schienen doppelt schwer auf ihr zu lasten, und Carla erschrak über die tiefen Falten, die s ich in ihr Gesicht ein g e g raben hatte n . Da sie nicht gleich von d e m Kind anfangen wollte, erzählte s i e von ihrem und Roberts Engage m en t .
    » W ie schön«, sagte Marianne unbeteili g t.
    Verlegenes Schweigen trat ein. Robert kam Carla zu Hilfe und gab an Ort und Stelle einen Bericht seiner a m erikanischen Abenteuer zum besten, der m it der gleichen a b wesenden Dista n ziertheit aufgenom m en wurde. Langsam stieg Ärger in Carla au f . Viellei c ht lag es auch daran, daß es ihre ganze Kindheit hindurch im m er Marianne gewesen war, die sich m it ihrer angestrengten Zuneigung um sie bemüht hatte; sie hätte sich nie träu m en lassen, ein m al in der u m gekehrten Position zu sein. Und wa r u m auch? Wenn Marianne nicht ihre Schwester wäre, dann würden sie sich gewiß noch nicht ein m al grüßen; Marianne m it ihrem Tal e nt dazu, unglücklich zu sein und andere unglücklich zu m achen. I h r wurde bewußt, daß sie ungerecht wurde und ihr Besuch da m it sinnlos.
    » W ir m üss e n jetzt gehen«, sagte s i e unver m ittelt, als Robert eine Pause m achte. »Ich habe Kathi versprochen, ich würde noch bei ihr vorbeischauen, bevor ich nach Nürnberg zurückfahre.«
    »Tu das«, erwiderte Marianne, und in ih r er T e ilnah m slosigkeit erschien ein erster Riß. »Eine jüdi s che Bolsch e wistin i s t genau die richtige Gesellschaft für dich.«
    Sie hätte es ignorieren und gehen sollen. Aber wie m eistens in Begegnungen m it ihrer Schwester wurden Carlas gute Absichten von ihrem Te m p era m ent zunichte g e m acht.
    » W ie m einst du das ? «
    Marian n es rechte Hand wanderte an ihren Hals, an dem heu t e keine Kette hing; die linke krampfte s i ch um die Falten ihres Rockes.
    »Deine M u tter war a u ch eine A u sländerin. Es war alles ihre Schuld. W ir waren alle glücklich, b e vor sie kam. Sie hat ihn verändert, als sie ihn m einer Mutter weggenommen hat. Das hat alles in Gang gesetzt. Die Sünde. Die Sch u ld. Es liegt im Blut. Und du, du warst schon immer ein böses Kind, du warst die Frucht, der Fluch.
    Und jetzt nimmst du ihn mir weg, so wie sie ihn meiner Mutter weggenommen hat. Ich hätte es wissen müssen. Du bist schlec h t. Du bist schon im m e r schlecht gewesen.«
    Es war die Enttäuschung über die falsche Sch w angersc h aft, sagte eine vernünftige kleine Stim m e in Carla, es war Maria n nes ganze verpfuschte Jugend, m an durfte das nicht ernst neh m en. Do c h dieser dünne Klang der Vernunft k a m nicht gegen den Chor aus Schuldgefühlen, Sch m erz und Haß an, den Mariannes Worte in ihr auslösten.
    »Komm«, flüsterte Robert, der C a rlas st a rr e n Gesichts a usdruck wiedererkannte, ihr ins Ohr, »wir gehen.«
    Sie ignorierte ihn. » W as ist es dann für ein Glück, daß du kein Kind erwartest«, sagte sie m it harter, schneidender Stim m e. »Bei all dem schlechten, verseuchten E r bgut. Aber d as überrascht m i ch eigentlich nicht. Ausgedörrte Bäu m e tragen nun m al keine Früchte, nicht wahr?«
    Robert nahm ihren Arm, fest genug, daß sie ihn sich ausgekugelt hätte, wenn sie seinen Bewegungen n i cht gefolgt wäre, Schritt für Schritt, h inaus aus d er Villa und auf die Stra ß e, wo sie stehenblieb und in Tränen ausbrach. Wortlos reichte er ihr ein Taschentuch.
    »Das war es.« Ihr Schluchzen durchzog erbittertes Lachen. »Keine Fa m ilienbe s uche m ehr, nie m als. W as f ür eine Be f reiu n g. O Gott, warum ist alles, was ich kann, andere Leute zu verletzen ? «
    » W eil es ein Fa m ilientalent i s t«, e rwiderte R o bert p rag m atisch.
    »Aber haben wir nicht schon längst entschieden, du und ich, daß wir ohne Fa m ilien viel b esser dran s in d ?«
     

9. K APITEL
     
    Die Vorbereitungen für die Tournee waren bereits so gut wie abgeschlossen, und der August näherte sich seinem Ende, als Robert und Carla dank der von Feuchtwanger

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