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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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geschenkten Karten die Pre m iere der Dreigroschenoper besuchten. Man spürte von Anfang an die elektrisierte Erwartung, die in der Luft lag; Autor und Ko m ponist, Bert Brecht und Kurt Weill, hatten bereits m it ihrem vorhergehenden Werk, Mann ist Mann, einen großen Erfolg erzielt, und die Kritiker hatten Brecht schon seit den Trommeln in der Nacht in den Münchner K a m m erspielen im Auge. Ob nun Herbert Jhering, der ihn für das größte dramati s che Talent seiner G e neration hielt, oder Alfred Kerr, der an ihm kein g u tes Haar ließ: d as Tribunal der Kriti k e r päpste e r schien aus n ah m slos i m Theater am Schiffbauerdam m , um Brechts moderne U m arbeitung der Bettler o per zu erle b en.
    Als der Moritatensänger m it sei n er Ballade begann, stieß Robert Carla wegen der Zeile ü ber den Haifi s ch leicht in die Seite, aber d anach war er viel zu sehr in Anspruch genom m en von d e m Bühnengeschehen, um noch an etwas anderes zu denken. Es war komisch, ohne albern, zynisch, ohne billig zu sein, und zu all den Angriffen auf Kapitalis m us als höhere Form des Verbrechertu m s und die Korruption der Polizei unwiderstehlich unterhaltend.
    »Carla«, sagte er bereits in der Pause, »wir haben einen Fehler ge m acht. Der Feuchtwanger m uß uns Brecht vorstellen, vielleicht können wir noch…«
    »O nein. Ich ganz besti mm t nicht, und du auch nicht. W enn du jetzt zu Feucht w anger gehst und ihm w e gen Brecht in den Ohren liegst, gehst du ihm auf die Nerven, er hält dich für undankbar, und die Chance, daß er dir noch ein m al etw a s ver m itt e lt, sin k t unter den Gefrierpunkt.«
    »Angsthase«, m urrte Robert, aber er hörte auf sie, weil er wußte, daß sie rec h t hatte. Man sollte s e in Glück nicht überstrapa z ieren. Es war nur so, daß die Möglichkeit, einen aufregenden jungen Dr a m atiker kennenzulernen… Nun, aufge s choben war nicht aufgehoben. Eine Saison Tournee, und dann w a r die Eroberung der Hauptstadt an der Reihe.
    Zum immensen Schaden der Har m o n ie zwischen R obert König und dem Rest d e r W elt begann die Tournee des Grünen Huts m i t Candida. Er hatte die Dreigroschenoper n och im Ohr, sah sich als Mackie Messer und war durch eigene Hand dazu verurteilt, jemanden zu spielen, der von Shaw als »seltsamer, schüchterner Junge von achtzehn, schmächtig, mädchenhaft, mit einer zarten, kindlichen Stimme, einem gequälten, unruhigen Ausdruck und einem scheuen Benehmen« beschrieben wurde. Nie m and konnte Benno Vogel vorwerfen, er besetze nur nach Typ.
    »Das Alter stim m t «, s a gte Carla m itleid s los. Sie hatte gut reden. Die Sekretärin Prossy war laut Shaw »eine adrette kleine Person von etwa dreißig aus der unteren M i ttelschicht, keck und schlagfertig, nicht besonders höflich, aber mitfühlend und herzlich«. Natürlich war Eugene Marchbanks, der Dichter, die wichtigere Rolle, doch während Robert sich darin übte, Lina Vogel auf der Bühne schüchtern anzuschwär m en und Benno Vogel, der Candidas Gatten, den rührigen Pastor M o rell spielte, e m pfindsa m , aber doch stolz entgegenzutreten, sehnte er sich nach dem Herzog zurück, der, statt von anderen Leuten geschüttelt zu werden wie Marchbanks von Morell, selbst handgreiflich werden durfte.
    »Ich verstehe dich nicht«, kom m entierte Ca r l a. » Das ist doch gerade die Hera u sforderung, je m anden zu spielen, der völlig anders ist.«
    »Es gibt anders und anders. Jedes m al wenn ich etwas lauter spreche als im sanftesten T re m olo, kommt m ir d e r Vogel da m it, daß Marchbanks kein Don Juan und seine Beziehung zu Candida rein platonisch ist.«
    Also spi e lte er d ie Rolle m it ein e r ge m arterten Aura, die zwar zu dem jungen Dichter paßte, aber R obert bei der Truppe nicht eben belie b t er machte. Obe n drein h atte sich herumgesprochen, daß der junge Mann m it keiner größeren Q u alifikation als einigen S chulaufführungen und einer o m inösen Saison in Zürich, die sie ihm nicht glaubten,  ein  Buch  m it  E m pfehlungen  für  Shakespeare-Aufführungen verfaßt hatte. (Er hatte ein paar Exe m plare dabei, um eventuell auftauchende Journalisten da m it zu versorgen.) Die am häufigsten geäußerte Meinung über ihn war: »Wofür hält der sich eigentlich?«
    Für Carla dagegen stellte die kleine Sekretärin nicht nur einen Aufstieg aus all den Kurzrollen dar, sie wurde auch zu einer Freundin. Sie fand den Schlüssel zu Prossy in Käthe und verlieh ihrer Sekretärin Kathis

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