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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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eln kratzten etwas in ihrer Handfläche, als er den Kopf hob und sie anschaute.
    Sie wollte s agen, daß es ihr auch f ü r ihn leid tat, doch sie k a m nicht dazu. Er griff nach ihr und zog sie zu sich herunter, und in der nächsten Sekunde spürte s i e d i e Tisch k ante in ihrem Rücken und Philipps Lippen auf ihrem Mund, an ihrem Hals, seine Hände, die ihre Jacke aufknöpften. Sie stem m t e ihre Hände gegen seine Brust, aber weil sie m it ihren Beinen noch keinen Halt auf d e m Boden hatte, bewirkte das nichts. Der Rat eines der Mädchen aus Berlin schoß ihr durch den Kopf, und sie zog abrupt das K nie in die Höhe.
    Er schrie nicht, doch er ließ s i e los und rang eine W eile um Ate m . Wütend zog Carla ihre Strickjac k e zusam m en und m aß ihn von oben bis unten. »Trost!« stieß sie verächtlich hervor.
    »Ein einfaches Nein hätte genügt « , sagte er gepreßt. »Ich vergewaltige k ei n e Frauen.«
    »Nein, du versuchst es nur!«
    »Meine Liebe«, sagte Philipp spöttisch, »glaubst du nicht, daß du dir da etwas vor m achst ? «
    Er nahm seinen Mantel und seinen Hut. Sie rührte sich nicht, obwohl ihre F erse nach wie vor weh tat, sondern wartete, bis er Frau Oppelts Küchentür hinter sich geschlossen hatte, dann sank sie zurück auf ihren Stuhl. W i e widerwärtig, Mariannes Zustand für so einen Zweck auszunutzen, und wie dum m , ihn nicht gleich zu durchschauen. Sie hatte ihm tatsächlich geglaubt. D och am schlimmsten traf sie, wozu ihr verräterischer Körper sie einige Sekunden lang gedrängt hatte, ehe ihr Verstand wieder einsetzte. Si e haßte Philipp.
     
    Zur Erleichterung Dr. Gold m anns, der darin einen Schritt in die richtige Richtung sah, kehrte Rob e rt tatsächlich m it einem Manuskript im Gepäck aus A m erika zur ü ck. Schrift s teller zu werden war in diesen Zeiten zwar ebenfalls a l les andere als ökono m i sch vernünftig, doch es mußte ja nicht Roberts e i nzige T ä ti g keit b l ei b en; bei s e inen Gaben konnte er außerdem noch Vorträge halten und später vielleic h t an d e r Univer s i t ä t dozieren. Martin Gold m ann ließ sich a l so überreden, ein letztes Mal eines von Roberts Unterneh m en zu finanzieren, ge m einsam m it Roberts ehe m alig e m Schuldirektor, Max Kern; sie b ezahlten den Druck der fünfhundert Exe m plare von Shakespeare für Alle.
    Doch während Dr. Gold m ann noch d a bei war, alle Freunde, die er in journalistischen Kreisen hatte, zu überreden, Shakespeare für Alle zu rezensieren, wurde er von Robert aus m anövriert. Zu den vielen Leuten, deren Bekanntschaft Robert in A m erika g e m acht hatte, gehörte kein Geringerer als der Autor von Jud Süß, Lion Feuchtwanger. Jud Süß war in England und A m erika seit der Übersetzung durch das Ehepaar Muir und Arnold Bennetts enthusiastischer Rezension zu einem Bestseller geworden und hatte Feuchtwanger auf einen Schlag in der engli s chsprac h ig e n W elt ber ü h m t ge m acht. Er befand sich auf einer Vortragsreise durch die Vereinigten S taaten, und Robert, der in Chicago zu einem der Vorträge g i ng und nicht an E rfolg durch Bescheiden h eit glaubte, st e llte sich an s chlie ß end dem Schri f tstell e r als der Mann vor, »der die Schweiz für I h r W erk erobert hat«. Ob es nun an Robert lag oder an der Tatsach e , daß Feuchtwanger, der Englisch zwar flüssig las, aber es nicht g u t s p rach, s ich in Chicago etwas isoliert fühlte und froh w a r, einen amüsanten Lands m ann getroffen z u haben, die Begegnung brachte ihre Resultate. Eines davon waren Karten für die Pre m iere des n e uesten W erkes von Feuchtwangers ehe m aligem Protege, B ert Brecht. Das andere, wichti g ere, war, daß Feuchtwanger sich an Robert erinn e rte, als einer seiner Bekannte n , der Leiter eines W anderense m bles, d a s sich für eine neue Tournee durch Deutschland bereit m achte, nach einigen neuen Schauspielern suchte.
    Ohne Dada etwas über den Grund zu erzählen, fuhr Robert auf Feuchtwangers Einladung hin nach Berlin, aber nicht allein. Dies m al hatte sich Carla entschlossen, ihn zu begleiten. So ein W anderense m ble spielte zwar nur in den Provinztheatern, doch genau dort befand sie sich ohnehin, wenn sich nichts änderte, und Robert hatte doch recht: Man m ußte etwas riskieren. Zu m i ndest hatte er bisher Erfolg da m it gehabt.
    Die Feuchtwangers, die sie in ihrem neuen Haus in der Mahlerstraße begrüßten, waren ein ungleiches Paar: Seine kleine, unscheinbare Gestalt, die helle Stim m

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