Unter Den Augen Tzulans
Nachbarkontinent geschieht.« Sie schwieg und vermied es, den Freibeuter anzusehen.
»Und wirst du zurückkehren?«, fragte Torben leise.
»Gibt es denn einen Grund, weshalb ich zurückkehren sollte?« Ihre Stimme klang gespielt erstaunt. »Es ist zu kalt, es gibt nichts zu holen, und die wenigen Piraten, die das Meer unsicher machen, versauen einem auch die kleinste Möglichkeit, ein wenig zu Geld zu kommen. Ich denke nicht, dass Rogogard und die nördlichen Meere von Ulldart ein guter Ausgangspunkt für Beute sind.« Sie legte eine Hand auf die Bordwand. »Oder sollte es noch etwas geben, was mich dazu bringt, in den Norden zu fahren?« Der Freibeuter blieb still. »Und was ist mit dir? Hast du keine Lust, dich ein wenig im Süden umzusehen?«
»Ich weiß nicht recht. Ich glaube nicht, dass ich mit meinem Schiff, das wahrscheinlich wieder eine Kogge sein wird, eine Aussicht hätte, Händler zu verfolgen. Eure Dharkas und was weiß ich noch alles sind viel wendiger und manövrierfähiger. Ich würde eher zum Gespött der Tarviner.« Er formte die Hände zu einem Schalltrichter und ahmte einen Rufer im Ausguck nach. »Heyho, da, schaut. Da kommt Rudgass der Lahme. Lasst den Laderaum voll Wasser laufen, damit die Jagd wenigstens spannend wird.«
Varla musste lachen. »Na, so schlimm wäre es nicht.«
»Das ist aber nicht der eigentliche Grund. Ich muss meine Freunde suchen. Erst wenn ich sicher bin, dass sie nirgends in Kalisstron an Land gespült worden sind, habe ich Ruhe. Das Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben, könnte ich niemals loswerden.« Torben nahm all seinen Mut zusammen, um seine Empfindungen zu offenbaren. Er schaute sie an, sie erwiderte seinen Blick, Hoffnung und ein wenig Angst im Braun ihrer Augen. »Varla, ich muss dir etwas gestehen. Ich …«
»Da stehen sie herum wie die Steine am Ufer«, dröhnte es in ihren Ohren, und sie zuckten wie ertappte Kinder zusammen. Kallsgar war unbemerkt an sie herangetreten, packte sie an den Ärmeln und zerrte sie zur Planke, die von Bord der Lerrán führte. »Los, es geht zum Abschiedssaufen. Es ist nicht gut, mit klarem Kopf in See zu stechen. Das bringt nur Unglück. Und was gibt es Besseres, als sich die Meeresluft um die Nase wehen zu lassen, wenn einem so richtig speiübel ist?«
Mit sanftem Zwang bugsierte er die beiden in Richtung der Werft, die von vielen Händen in eine riesige Schankstube umfunktioniert worden war.
Tarviner und Rogogarder feierten und sangen gemeinsam Lieder, die man sich in den langen Wintermonaten gegenseitig beigebracht hatte. Torben und Varla wurden voneinander getrennt, von den unterschiedlichsten Leuten in Beschlag genommen und mit guten Wünschen überhäuft.
Ein Humpen nach dem anderen leerte sich, doch dem Freibeuter wollte das Bier nicht recht schmecken. Er tat so, als würde er trinken, und irgendwann waren die Feiernden zu angeheitert, als dass sie seine List durchschauen konnten.
In dem ganzen Durcheinander aus lautstarker Unterhaltung, Gelächter und Musik verlor er die Kapitänin aus den Augen, und so zog er sich gegen Mitternacht aus der Gesellschaft zurück, während UIvsgrund seinen Schmerz über die bevorstehende Abreise der Fremden, aus denen Freunde geworden waren, in Alkohol ertränkte. Und den ein oder anderen Tarviner dabei fast mit.
Torben schlenderte hinab zum Hafen und sah in das dunkle Wasser, in dem sich der Sternenhimmel mit den Monden in all seiner Pracht spiegelte. Gedankenversunken nahm er einen flachen Stein und ließ ihn mit einem kräftigen Wurf über die Oberfläche hüpfen. Acht Mal berührten sich Kiesel und Meer flüchtig, bis er mit einem leisen Geräusch eintauchte und sank.
Der Rogogarder hockte sich an den Uferrand und ließ seine Augen über die vertäuten Boote schweifen. Zu seinem Erstaunen entdeckte er Licht in der Kapitänskajüte der Dharka.
Grinsend erhob er sich, legte seine Kleidung bis auf die Unterwäsche und seinen Gürtel mit den beiden Dolchen ab, bevor er in das schwarze Nass watete und in Richtung des tarvinischen Schiffes schwamm.
Mit Leichtigkeit, aber Zähne klappernd, zog er sich am Tau hinauf und hangelte sich auf die schmale Fensterbank vor dem Fenster. Durch die Bleigläser erkannte er die Gestalt Varlas, die sich im Schein eines Kerzenleuchters mit Seekarten beschäftigte.
Vorsichtig drückte er die Scheibe auf und ließ seine Füße ganz behutsam auf die Dielen der Kajüte herab. Ohne ein lautes Geräusch pirschte er sich an die Tarvinin heran.
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