Unter den Sternen des Südens: Australien-Saga (German Edition)
ich das Schiff bestiegen hatte, das mich aus England wegbrachte. Graces Ankunft stellte mich vor ein Problem. Kathleen und ich hatten bereits Zukunftspläne geschmiedet. Wie sollte ich ihr erklären, dass es eine andere gab, die einen älteren Anspruch auf mich hatte?
Denn natürlich musste ich Grace heiraten. Sie brauchte jemanden, der für sie sorgte und sie in diesem fremden Land beschützte. Und da sie es mir zu verdanken hatte, dass sie aus ihrer Heimat fliehen musste, war es das Mindeste, was ich tun konnte.
Aber wie sollte ich es Kathleen beibringen?
Kathleen nahm die Neuigkeit sehr tapfer auf. Ich erzählte ihr nicht die ganze Geschichte, nur, dass ich mich voll und ganz auf den Aufbau von Kyleena konzentrieren müsse und unsere Beziehung nicht aufrechterhalten könne. Ich habe gehofft, dass Kathleen mir eines Tages verzeihen würde und erkennen, dass ich sie nicht benutzt hatte und meine Absichten immer ehrenhaft waren, aber leider ist es dazu nicht mehr gekommen. Bei der ersten Wiederbegegnung mit Grace flammten meine alten Gefühle für sie sofort wieder auf. Es war, als würde Kathleen plötzlich nicht mehr existieren, als hätte sie niemals existiert.
Deine Mutter war eine sehr schöne Frau, und sie hatte tüchtige Hände. Ohne sie wäre der Aufbau von Kyleena nicht so rasch vonstattengegangen. Sie schuftete genauso hart wie ich, nicht nur, was die schwere körperliche Arbeit betraf. Sie zog praktisch alleine zwei Kinder groß, Diane und Dich, und kümmerte sich außerdem um den Gemüsegarten, der uns und andere ernährte.
Kathleen verschwand für eine Weile. Es stellte sich heraus, dass sie nach Kalgoorlie gegangen war und ein Kind zur Welt brachte, dessen Vater zunächst unbekannt war. Später habe ich erfahren, dass sie sich prostituieren musste, um sich und ihr Kind zu versorgen, bis ihr schließlich alles zu viel wurde.
Sie gab ihr Kind zu Nonnen in Kalgoorlie und fuhr mit dem Zug zurück nach Esperance. Offenbar kam sie nach Kyleena und verbrachte die Nacht in der alten Hütte unten am Fluss. Am nächsten Morgen ging sie ins Wasser und nahm sich das Leben.
Es fällt mir schwer zu bekennen, dass wir Kathleens Kleidung an der Uferstelle fanden, an der sie und ich uns einst geliebt haben.
Ein paar Monate nach Kathleens Beerdigung machte ich Besorgungen in der Stadt, als ihr Bruder Thomas auf mich zukam und mir einen Brief gab. Kathleen hatte ihn kurz vor ihrem Tod geschrieben. Er war an mich adressiert, und der Umschlag war verschlossen.
Darin stand, dass sie mich liebte, dass sie nie aufgehört hatte, mich zu lieben, und dass Rose, ihr Kind, meine Tochter war.
Voller Schuldgefühle und Gewissensbisse hielt ich es für meine Pflicht, die Zukunft dieses armen Würmchens abzusichern, das nicht meinen Namen trug. Ohne Rose zu erwähnen, schlug ich Deiner Mutter vor, achtzig Hektar von unserem Land rund um die Hütte abzutrennen, einschließlich der Stelle, an der Kathleen ins Wasser gegangen war, und an die Cramms zu überschreiben.
Ich beobachtete aus der Ferne, wie Rose aufwuchs. Sie war ein hübsches Mädchen, das sich zu einer atemberaubenden Frau entwickelte.
Sie heiratete schließlich einen ehemaligen Soldaten aus wohlhabendem Hause, und die beiden kauften eine Farm ganz in der Nähe von Kyleena.
Der restliche Brief war so erschütternd, dass es Amanda schwerfiel, weiterzulesen. Sie überflog die letzten vier Absätze und las:
Ich beauftrage Dich nun damit, das Familiengeheimnis zu wahren und sicherzustellen, dass Kyleena in den Händen unserer Familie bleibt.
In Liebe,
Dein Vater
Michael
Amanda sprang aus dem Bett und stürzte in ihr Arbeitszimmer, wo die Besitzurkunde über die achtzig Hektar Land lag. Darin war als Besitzerin eingetragen: »Rose Cramm, Tochter von Kathleen Cramm«.
»Verdammt!«, fluchte Amanda laut. »O mein … Das glaube ich einfach nicht! Dieses miese Schwein!«
Kapitel 52
M it quietschenden Reifen fuhr Amanda vom Hof und raste gleich darauf weiter auf der Straße in Richtung Paringa. Sie war so wütend, dass sie nicht überlegte, wie sie damit umgehen sollte. Sie wusste nur, dass sie Adrian damit konfrontieren musste.
Wenig später bremste sie vor dem Herrenhaus scharf ab. Sie stapfte zur Hintertür und betrat die Küche, wo Adrian am Tisch saß und frühstückte.
»Du elendes Schwein!«, schrie sie ihn an.
Adrian erhob sich halb von seinem Stuhl und machte ein verdattertes Gesicht. Dann richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und musterte
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