Unter der Hand (German Edition)
es perlt und tobt harmlos darin, als Kind hat man mir weisgemacht, es treibe ein Teufelchen sein Unwesen in den sprudelnden Bläschen.
Ich trinke einen vorsichtig bemessenen Schluck, Vico soll bei seiner Rückkehr nicht denken, die Gier habe mich übermannt.
Die Zeit wird lang, ich stehe auf und hole eine Zeitung, die hölzerne Lesestange (oder wie auch immer eine solche Zumutung genannt wird) bohrt sich beim Lesen in meine Weichteile, schließlich leere ich erst das eine, dann das zweite Glas, darauf spukt und wirbelt es in meinem Kopf, ich winke die
Gevatterin
heran, die als Kellnerin verkleidet eilfertig zur Stelle ist, und bitte um die Rechnung.
Der Herr hat doch längst gezahlt!, ruft sie lachend. Fehlt nur noch, dass sie
damals
sagt – so sehr klingt ihr Lachen wie ein Auslachen über mich Zeitverirrte. Dabei ist, nachdem ich schwankend auf die Straße getreten bin, lediglich eine gute Stunde vergangen.
Zweiundzwanzig
Vor drei Tagen bin ich aus Berlin zurückgekehrt. Vicos rätselhaftes Verschwinden bleibt ungeklärt. Es gibt in mir wohl eine Bereitschaft zum Hinnehmen unwahrscheinlicher Geschichten, schließlich gehört auch die meine von allem Anfang an dazu. Im Übrigen könnte er jederzeit wieder auftauchen.
Zu Hause fand ich die Druckfahnen zur Korrektur vor, DUDEN, Band 11, Redewendungen,
Drum prüfe wer sich ewig bindet
ist das Erste, das ich lese. Kein Brief vom
Bauhaus
, ich dagegen werde einen schreiben müssen, mich entschuldigen und bedanken, dass die Eigentümer auf rechtliche Schritte verzichten. Von Parwiz eine Nachricht, dass der Lotte-Besuch stattgefunden habe,
alles andere am Montag
. Es tut mir leid mit dem Stier. Die
d’Annunzios
melden ihren Aufbruch, ab sofort soll ich wieder einmal wöchentlich nach dem Rechten sehen. Eine Warnung vor einer Katze, die mehrere Versuche unternommen habe, in die Wohnung zu schlüpfen, sobald sie das Schloss höre.
Eine Streunerin
, sagt Ida auf meinem Anrufbeantworter, und ich höre, wie sie ihre Stirn dabei runzelt.
Endlich Heinrich, der mit weichem r und nicht ganz fester Stimme sagt, wie sehr er mich erwartet.
Jetzt liege ich im Schaumbad, es ist früher Nachmittag, nach einem Regenguss präsentieren sich die schwarzen Dächer der umliegenden Häuser glänzend, wie gewachst.
Ich versuche mich zu entspannen, stütze das Kinn auf den Schaum und ziehe die Beine nur so weit an, dass die Knie bedeckt bleiben. Trotzdem friere ich. Man kann kaum mehr baden, ohne damit Hunderte von Filmszenen nachzustellen; Szenen, in denen sich die Heldinnen aus Liebeskummer oder Liebestaumel ins warme Wasser betten, rauchend, Sekt schlürfend, Vivaldi oder Leonard Cohen lauschend; Anlauf auf die große Schlüsselszene – Mord, Trennung, Versöhnung –, die darauf folgt. Die Schutzlosigkeit des nackten Körpers, die Ähnlichkeit der Wanne mit einem Sarg, in dem man aufgebahrt liegt, die Verschwiegenheit des im Wasser Stillgelegten: alles Arrangements, die ich als Zuschauerin reizvoll und wirksam, in der Rolle der Protagonistin aber unerfreulich finde. Außerdem dient mein Bad als Vorbereitung oder vielmehr als Teil eins des Nostalgie-Ausflugs mit Nina, der in wenigen Stunden beginnen wird. Ich stelle mein Zeitgefühl schon einmal auf analog um, lasse heißes Wasser nachlaufen und rufe mit vorschriftsmäßig geschlossenen Augen Heinrich auf: Was sofort Einkehr hält, ist das Bild seiner nackten Füße am unteren Ende des Betts, die dort so selbstverständlich neben meinen ruhen, als hätten sie den längsten Weg miteinander zurückgelegt. Die Spuren eines Sonnenbrands auf Nacken und Schultern; der Anflug von Eifersucht – mit wem hat er sich verbrannt? –, der verflog, kaum dass Heinrich sich umdrehte und sein Gesicht in einer Weise auslieferte, wie es nur im Schlaf geschieht. Im abkühlenden Bad liege ich ganz still, das einzige Geräusch ist das Knistern des Schaums, der sich auflöst. Kein Ultrahocherhitzen mehr, wie noch vor zehn, erst recht vor zwanzig Jahren. Da war das Thermometer bis zum Anschlag gefordert, nur Rekorde galten. Nun entsteht ein Hochgefühl aus der Kündigung der Karriere, aus der störrischen Verlangsamung der Gangart. Ich will keinen digitalen Puls. Das ist die dann doch noch zufriedenstellende Bilanz dieser Schaumgeburt, dieser Reinigung im HibiskusLemongras-Aroma. Ich bin bereit für Cat Stevens.
Nina riecht gut.
Eau de mille
, sagt sie lächelnd auf meine Nachfrage, und ich nehme mir vor, das gleiche Parfum zu kaufen. Und auf die
Weitere Kostenlose Bücher