Unter deutschen Betten
Schneider den Haushalt zu machen. Sie war seit 20 Jahren Witwe und hatte einen selbstbewussten Lebensstil kultiviert.
»Ich habe keinen Platz für einen Mann, der sich von mir versorgen lassen will«, hatte sie ihm nach seinem Geständnis eröffnet.
Diese direkte Abfuhr hatte Herr Schneider nicht ritterlich hingenommen. Wie ein geschlagener Hund lief er heim, griff sich ein Bier und machte ein Glas der eingelegten Rollmöpse auf, die ihm Mariola eine Woche zuvor mitgegeben hatte.
Er verschlang die sechs gerollten Fische, spülte sie mit Bier hinunter und merkte, wie es ihm guttat. Und nahm sich ein zweites Glas aus dem Regal. Und eine zweite Flasche. Der Grad der Entspannung und gleichzeitigen Sättigung ließ sich bei der dritten Runde noch steigern. Eine vierte folgte. Die fünfte ließ den Nebel des Vergessens aufsteigen, und an die sechste konnte sich Herr Schneider gar nicht mehr erinnern.
Er muss die Konserve im Schlafzimmer getilgt haben.
Irgendwann habe er dann auf dem Bett das Bewusstsein verloren.
Herr Schneider wachte erst wieder auf, als der Notarzt im Krankenhaus an ihm rüttelte.
»Herr Schneider, wie können Sie sich nur so gehen lassen?! Wegen einer Frau!«, entfuhr es mir.
»Ich weiß … Aber sehen Sie, Justyna, ich bin alt und ein Narr.«
Ich hätte ihn am liebsten in den Arm genommen.
»Aber immerhin, das Ganze hat auch sein Gutes. Mariola hat mich im Krankenhaus besucht, und morgen gehen wir essen. Ich glaube, sie hat mich doch ganz gern.«
»Also, Herr Schneider, dann erwähnen Sie aber bitte nichts mehr von Versorgung im Alter! Machen Sie ihr Komplimente und erzählen Sie ihr, wie gerne Sie mit ihr zusammen sind. Sonst wird das nichts!«
Ich weiß nicht, ob es an meinem wohlgemeinten Ratschlag lag oder daran, dass Herr Schneider durch seinen Zusammenbruch etwas gelernt hatte.
Auf jeden Fall zog Mariola vier Monate später bei Herrn Schneider ein.
Seitdem putze ich für beide.
Und an manchen Tagen fragen sie mich, ob ich nicht nach der Arbeit einen Kaffee mit ihnen trinken wolle.
Ich sage nie nein.
Dann erzählen wir uns Geschichten aus Ostpreußen und Polen.
Ich liebe meine Nachmittage bei Herrn Schneider und Mariola.
Und manchmal frage ich mich, ob ich je so viel erlebt hätte, wenn ich keine Putzfrau wäre?
Ich glaube nicht.
Und so bin ich für all das vor allem eines: dankbar.
Ich bin Putzfrau.
Mein Leben ist reich.
Über Justyna Polanska
Justyna Polanska ist 31 Jahre alt und stammt aus Polen. Um Geld für eine Ausbildung zur Visagistin zu verdienen, ging sie nach Deutschland und arbeitet seitdem als Putzfrau. Möglicherweise putzt sie auch in Ihrer Wohnung.
Über dieses Buch
»Mein Name ist Justyna. Ich komme aus Polen. Ich bin Putzfrau. Ich sehe, wie es wirklich aussieht im Leben der Leute. Und was mir da manchmal begegnet, hätte ich nicht für möglich gehalten …«
Täglich macht Justyna Bekanntschaft mit den »schmutzigen Geheimnissen« ihrer Kunden. Sie weiß genau, wer ein teures Auto vor der Tür hat, aber nicht genug im Kühlschrank, um satt zu werden. Wer auf coolen Macho macht, daheim aber in Bärchenwäsche schläft. Oder wer der eigenen Frau den liebevollen Ehemann vorspielt, vor der Putzfrau aber schon mal die Hosen runterlässt. Lange hat Justyna höflich geschwiegen, doch jetzt packt sie aus …
Impressum
Originalausgabe Januar 2011
Copyright © 2011 der eBook Ausgabe by Knaur eBook.
Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –
nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Umschlagabbildung: FinePic®, München
ISBN 978-3-426-40654-0
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