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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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Schuhen nach Hause. Seine Mutter konnte nichts dagegen unternehmen – sie wusste ja nicht einmal etwas davon. Ich war Konrads einziger Freund, doch allein konnte ich nicht viel gegen die Gemeinheiten unserer Klassenkameraden ausrichten. Wie es schien, waren ihm die Streiche ohnehin gleichgültig, denn sobald ich ihn darauf ansprach, sagte er nur, das macht mir nichts, Gerald, zuckte mit den Achseln und wechselte das Thema.
    In der Pause, den Freistunden oder auf unserem Nachhauseweg sprachen wir meist über seine Ansichtskartensammlung. Manchmal erhielt er von seinem Vater eine neue Karte aus Jugoslawien, aus Umag, Pula oder Krk, mit Motiven von Pinienwäldern, Felsstränden oder Steinbungalows. Die bunten Karten waren das Einzige, das er je von seinem Vater bekam, den er nur einmal im Monat für einige Stunden sah. Mir hätte das nicht gereicht, doch Konrad genügte diese peinlich genau nach Ländern und Regionen sortierte Sammlung, die er unter seinem Bett versteckte. Eines Tages breitete er sie wie einen Schatz vor mir aus. Ich durfte keine der Karten berühren, um sie nicht versehentlich zu knicken oder die Schrift zu verwischen. Er hielt sie behutsam in der Hand und konnte ihren Text wie einen auswendig gelernten Vers herunterbeten. Möglicherweise tröstete ihn das über die Streiche seiner Klassenkameraden hinweg oder half ihm, die Demütigungen durch seine Mutter zu ertragen. Ihr versteinerter Gesichtsausdruck und die grässliche Schminke in ihrem Gesicht erinnerten an eine Kopie der Bette Davis aus den schwarz-weiß Filmen. Konrads Mutter starrte mich immer an, ohne ein Wort zu sagen, sodass ich nie wusste, was in ihrem Kopf vorging. Daher ging ich ihr aus dem Weg, wo ich nur konnte.
    Im Gymnasium wurde es mit Konrad besser. Ich saß neben ihm in der zweiten Reihe. Wir tratschten in den Pausen und lernten gemeinsam an den Wochenenden, allerdings meist in der Wohnung meiner Eltern, um nicht Konrads Mutter zu begegnen. In dieser Zeit wurde er ein wenig entspannter, schien sich zu öffnen, und manchmal sah ich ihn in den Pausen sogar mit anderen Schülern plaudern. Doch die Mädchen mied er wie der Teufel das Weihwasser. In dieser Beziehung war er immer noch nicht locker. Mit vierzehn Jahren verloren wir uns aus den Augen. Konrad besuchte den mathematischen Zweig, mit Wirtschaftlichem Rechnen und Geometrisch Zeichnen; ich lernte Latein und Französisch.
    Später, als ich an der Uni Wien Fremdsprachen studierte, erfuhr ich von einer ehemaligen Schulfreundin, dass Konrad die kleine Kathi Baum aus seiner Klasse geheiratet hatte und sie gemeinsam in das Haus ihrer Eltern ins Burgenland gezogen waren. Es wurde still um Konrad. Ich vergaß ihn, wie ich auch den Kontakt zu allen anderen Schulkameraden verlor. Nach dem Studium und meinem Zivildienst als Pfleger im Badener Krankenhaus arbeitete ich in einigen Exportfirmen, kleinen Buden , wie mein Vater behauptete, übersetzte Angebote, Lieferscheine und Versicherungspolizzen und quälte mich mit Kunden, Lieferanten und Spediteuren herum. Schließlich gelangte ich durch Vaters Beziehungen zu Gneissl & Wombring , einem Maschinenbau-Unternehmen im zwölften Wiener Gemeindebezirk, wo ich als Sachbearbeiter für Marokko, Tunesien und den französischen Markt verantwortlich war. Auf der Mitarbeitertelefonliste entdeckte ich einen bekannten Namen: Konrad Blokovsky, Durchwahl 713. Wie ich von Kollegen erfuhr, fristete er seit Jahren als AS400-Betreuer sein Dasein in der EDV-Abteilung. Er hatte sich zu einem Computer-Griesgram entwickelt, wie man mir erzählte. Zunächst freute ich mich, den ehemaligen Schulkollegen wiederzusehen, aber in unser erstes Treffen schlich sich ein beklemmendes Gefühl.
    Konrad saß in der Ecke eines fensterlosen Kellerbüros, vom irisierenden Licht einer Neonröhre beleuchtet, umgeben von summenden Rechenanlagen, Terminals und kilometerlangen Stromkabeln. Es miefte nach kaltem Kaffee und dem Ozon der Laserdrucker, die unermüdlich Listen auswarfen. Inmitten des Lärms klapperte Konrad auf einer Tastatur und starrte auf den Monitor.
    »Hallo Konrad.« Ich lockerte den Krawattenknoten, steckte die Hand in die Hosentasche und versuchte zu lächeln, als ich mich an den Türrahmen zu seinem Büro lehnte.
    Konrad trug eine braune Weste, an der ein Knopf fehlte, darunter ein kariertes Hemd mit großem, steifem Kragen. Er war schmächtiger, als ich ihn in Erinnerung gehabt hatte, seine Gesichtszüge wirkten ausgezehrt, seine Haut blass wie damals, und sein

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