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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
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klar?«
    »Kommst du auch?«, fragte Mark Chrissy.
    »Wenn ich rechtzeitig vom Training wegkomme«, seufzte sie. »Julius Caesar ist in der letzten Zeit so eine Diva …«
    »Mach Leberkäse aus ihm, Schwesterherz«, grinste Tom.
    »Das ist ein hoch prämiertes Dressurpferd, du Idiot. Und ich fürchte, das ist ihm völlig bewusst.«
    Anne machte eine nicht gerade unauffällige Kopfbewegung in meine Richtung.
    » … was mich natürlich nicht davon abhalten wird, zur Party zu kommen«, fügte Chrissy rasch hinzu.
    Anne nickte zufrieden und wandte sich an mich. »Geburtstagskind?«
    Ich zögerte. Dann fiel mir wieder ein, was Herr Wagner zu mir gesagt hatte: dass ich mich von dem, was mich verfolgte, nicht beherrschen lassen durfte.
    Leicht gesagt.
    Ich riss mich zusammen und setzte ein Lächeln auf. »Also gut, ich werde da sein.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
     
    Der große weiße Karton stand noch genau so auf dem Wohnzimmertisch, wie ich ihn an diesem Morgen vorgefunden hatte. Mein Vater musste ihn gestern spätabends mitgebracht haben, denn als ich morgens aufgestanden war, war mein Vater bereits auf dem Weg ins Büro gewesen.
    Doch wenigstens hatte er die Nacht zu Hause verbracht.
    Ich hatte den Karton am Morgen ignoriert, in der Hoffnung, dass es sich dabei nicht um die einzige Reaktion meines Vaters auf meinen Geburtstag handelte.
    Schließlich war es mein erster Geburtstag danach .
    Nun stand ich allein im Wohnzimmer und starrte den Karton an. Auf der Vorderseite prangte der Name der besten Konditorei der Stadt, und daneben lag ein schlichter weißer Umschlag.
    Ich schluckte. Enttäuschung machte sich in mir breit und mit einem Kloß im Hals hob ich den Deckel des Kartons an. Darin war eine perfekte Schokoladentorte mit makelloser Glasur. So anders als meine letzte Geburtstagstorte … die Glasur war klebrig gewesen und zerlaufen, und meine Mutter und ich hatten lachend in der Küche gestanden und uns die Schokolade von den Fingern geleckt …
    Etwas schnürte mir die Kehle zu. Ich schluckte. Tränen stiegen mir in die Augen, und ich schloss rasch den Karton.
    Zögernd griff ich nach dem weißen Umschlag. Etwas Kleines, Schweres lag darin, und als ich ihn öffnete, glitten eine Karte und ein Schlüssel heraus.
     
    »Liebe Viktoria, alles Gute zum Geburtstag. Papa.«
     
    Selbst wenn ich Ritas Handschrift nicht erkannt hätte, wäre es offensichtlich gewesen, dass mein Vater die Karte nicht selbst geschrieben hatte. Erstens nahm ich an, dass er wenigstens meinen Namen richtig geschrieben hätte, und zweitens nannte ich ihn seit Jahren nicht mehr Papa. Ich nannte ihn Ludwig.
    Ich drehte den Schlüssel in meinen Händen. Er war in schwarzen Kunststoff einfasst und darauf waren zwei Buchstaben eingeprägt.
    VW.
    Ludwig hatte mir … ein Auto geschenkt ?
    Im nächsten Moment schreckte mich das Klingeln meines Telefons auf. Ludwigs vorwurfsvolle Stimme dröhnte vom anderen Ende der Leitung.
    »Ich habe mich schon gefragt, ob mein Geschenk nicht angekommen ist!«
    »Ich habe es gerade erst aufgemacht«, erwiderte ich.
    »Jetzt? Um halb sechs Uhr nachmittags?«
    »Ich war in der Schule.«
    »Richtig …« Ludwig zögerte. Seine Stimme zeigte eine Spur von Unsicherheit und er bemühte sich um einen scherzenden Ton. »Dann sind die Ferien wohl wieder vorbei, was?«
    »Seit vier Wochen.«
    »Tatsächlich?«
    »Es ist Ende September. Sogar in Hong Kong.«
    Ich atmete lang und lautlos aus, um meinen aufsteigenden Zorn unter Kontrolle zu bringen. Es gibt nur noch euch beide , dachte ich. Reiß dich zusammen.
    »Vicky, du weißt, dass diese Dienstreisen für meine Arbeit wichtig sind. Wir haben darüber gesprochen.«
    Darüber gesprochen? Mir blieb fast die Luft weg. Die Hälfte der Zeit wusste ich nicht einmal, ob Ludwig in Hong Kong war oder in Wien, und alles, was er mir gegeben hatte, war die Telefonnummer seiner Sekretärin Rita – für Notfälle.
    Doch ich hatte keine Lust auf Streit. Nicht schon wieder. Nicht heute.
    »Danke für die Torte«, sagte ich. »Und für den … äh … Schlüssel.«
    »Richtig!« Ludwigs Tonfall änderte sich schlagartig. »Ich dachte mir, dass dir mein Geschenk gefallen wird! Zu schade, dass ich nicht da bin, um dein strahlendes Gesicht zu sehen. Damit hast du nicht gerechnet, nicht wahr?«
    Ich biss die Zähne zusammen und starrte auf das Bild über dem Sofa, um weder den Schlüssel noch die Torte ansehen zu müssen. Es war ein Druck von Klimt, dem Lieblingsmaler meiner Mutter.

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