Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
Vom Netzwerk:
schrecklichen Anblick von Nathaniels Leiche noch einmal zu ertragen. »Was ist das hier, ein Albtraum?«, keuchte ich.
    »Nein«, hauchte Lazarus in mein Ohr. Seine Stimme jagte mir eine Gänsehaut über den Körper. »Das ist die Zukunft.«
    Seine Worte drangen durch meinen Körper wie ein Blitzschlag. Mit der Kraft der Verzweiflung stieß ich ihn von mir fort, doch er bewegte sich nicht; es war, als würde ich gegen einen Felsen stoßen. Ich fiel zurück, rappelte mich auf die Beine und rannte los. Er ließ mich gehen, wieso ließ er mich gehen? Ich rannte weiter, fort von Lazarus und Nathaniels Körper, rannte über die endlose Ebene.
    Ich rannte so lange, bis meine Lungen wie Feuer brannten. Irgendwann war ich gezwungen, stehen zu bleiben, ich drehte mich keuchend um – und schreckte entsetzt zurück.
    Lazarus stand neben mir und Nathaniels Körper hing aufgespannt wenige Schritte hinter uns.
    Ich war keinen Meter vom Fleck gekommen.
    Lazarus legte den Kopf schief und sah mich aus seinen dunkelroten Augen an. »Willst du es noch einmal versuchen?«, fragte er leise.
    Ich schlang schwer atmend meine Arme um meinen Körper und drehte ihm und Nathaniel den Rücken zu. »Was willst du von mir?«, stieß ich verzweifelt hervor.
    Plötzlich stand Lazarus vor mir und musterte mein Gesicht nachdenklich. »Du bist so schön«, flüsterte er. »Ich kann ihn verstehen.«
    »Wen verstehen?« Unangenehm berührt trat ich einen Schritt zurück.
    Ohne auf meine Frage einzugehen, berührte Lazarus meine Wange, und seine Finger brannten wie Nadelstiche auf meinem Gesicht.
    »Deine Haut ist so weiß, so zart.« Seine Hand griff in mein langes Haar. »Glänzend wie Seide … und ›so schwarz wie Ebenholz‹«, flüsterte er und ein spöttischer Unterton lag in seiner Stimme.
    Ich erschrak. Vor einigen Jahren hatte ich dieselben Worte schon einmal gehört, denselben Vergleich – im Haus von Annes Großmutter.
    War er etwa dort gewesen?
    Lazarus lachte leise.
    »Ich beobachte dich seit langer Zeit«, flüsterte er. »Ich habe dich heranwachsen sehen, habe dich zur Frau reifen sehen, mit deinem reinen Wesen und deiner Schönheit … « Seine Lippen waren jetzt nah an meinem Ohr und seine Worte jagten mir einen eisigen Schauer über den Körper. »Ich freue mich über deine Anmut und deinen Liebreiz … denn so hast du ihn mehr und mehr an dich gefesselt … wie könnte er dir widerstehen?«
    Ich versuchte, Lazarus von mir wegzustoßen, doch seine Finger krallten sich in mein Haar.
    »Ich kann dich ebenso verstehen«, flüsterte er, scheinbar ohne meine Gegenwehr zu bemerken. »Er, der golden schimmernde Retter, dein Beschützer, dein einziger Halt … wie könntest du nicht?«
    »Wovon zur Hölle sprichst du?«, stieß ich hervor.
    »›Zur Hölle‹ … interessante Formulierung.« Für einen Augenblick umspielte ein boshaftes Lächeln seine Lippen. »Ich kenne euer Geheimnis.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Victoria …« Seine Stimme klang beinahe zärtlich. »Glaubst du, du könntest mich täuschen?« Er schlug beide Flügel auf, so dass sie ihn riesig und schwarz umgaben. Dann schlang er sie blitzschnell um mich, hüllte mich in Dunkelheit und zwang mich noch näher zu sich heran. Ich stieß gegen seine Brust, und seine Arme umfingen mich wie Klammern aus Stahl. Ich spürte seine Lippen an meinem Ohr.
    »Du … liebst … ihn«, flüsterte er sanft.
    Ich trat gegen Lazarus, versuchte verzweifelt, mich zu befreien – bis er mich unvermittelt losließ. Ich stolperte ein paar Schritte zurück, keuchte heftig, und fixierte ihn voller Zorn.
    »Weißt du, welche Strafe einen Engel erwartet, der sich in eine Sterbliche verliebt?«, fragte Lazarus leise. »Er weiß es, und es ist ihm egal. Er würde sterben für dich.« Lazarus trat einen Schritt zur Seite und eröffnete mir den Blick auf Nathaniels verwesenden Körper. »Er wird sterben für dich.«
    Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Ich schwöre«, stieß ich hervor, »wenn du ihm etwas antust …«
    »Du drohst mir?« Lazarus wirkte tatsächlich für einen Moment überrascht. Dann lachte er. Wunderschön und grausam.
    »Lach ruhig«, zischte ich. »Rühr ihn an, und ich schwöre, ich finde einen Weg.«
    Im nächsten Augenblick war er dicht neben mir und hatte meinen Hals mit seiner Hand umklammert wie einen Zweig. Seine Stimme war ein gefährliches Flüstern. »Überleg dir gut, ob du mir noch einmal drohst.«
    Ich erstickte. Verzweifelt kämpfte ich um

Weitere Kostenlose Bücher