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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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lieber nicht nachdenken wollte. Bisher hatte sie innerlich immer abgeblockt, wenn in der Presse über Sergios Verbindungen zur Unterwelt spekuliert wurde. Sie hatte Olivers Argumente gegen LMI nicht hören wollen, aber an diesem Morgen begriff Alex mit gnadenloser Klarheit, dass sie nicht länger so tun konnte, als gäbe es diese Zweifel nicht, die sie quälten. Ihr wurde bewusst, wie einsam sie war. Es gab niemanden, mit dem sie hätte reden, dem sie vertrauen konnte. Vor ihren Augen begann ihre ganze Welt zu bröckeln, und auf einmal war sie nicht mehr davon überzeugt, ob es wirklich so ungeheuer wichtig und richtig war, was sie tat. Es war ein ganz und gar elendes Gefühl.
    ***
    Drei Stunden später saß Alex mit verquollenen Augen vor einem pechschwarzen Kaffee an ihrem Schreibtisch. Die vor ihr liegende Woche versprach heiß zu werden, denn die feindliche Übernahmeschlacht, zu der sich die Fusionsverhandlungen zwischen den beiden führenden Müllentsorgungsunternehmen desLandes ausgewachsen hatten, ging in die entscheidende Phase. United Waste Disposal wehrte sich bereits seit Wochen nach Kräften gegen die Übernahmepläne von Waste Management. Alex hatte das aufmerksam verfolgt, denn sie hatte Fred W. Watkins, dem Präsidenten von A & R Ressources, den Vorschlag gemacht, sich als Weißer Ritter in die Übernahmeverhandlungen einzuschalten. Watkins, den Alex vor ein paar Monaten durch Sergio kennen gelernt hatte, war von diesem Vorschlag mehr als begeistert gewesen. A & R Ressources war ein hoch spezialisiertes Unternehmen, das sich in erster Linie mit der Entsorgung von militärischen Abfällen beschäftigte, aber Alex hatte erfahren, dass Watkins seit längerem nach einem breiteren Betätigungsfeld suchte, um weiter zu expandieren. Ohne Zögern hatte Watkins Alex den Auftrag erteilt, sich um die Übernahme von Waste Disposal zu bemühen, und so war sie nun in diesen mit harten Bandagen geführten Kampf involviert. Ein weiterer Grund für die angespannte Atmosphäre an der Wall Street war die erwartete Leitzinserhöhung durch die US-Notenbank. Alan Greenspan hatte eine Erhöhung zur Bekämpfung der Inflation in Aussicht gestellt und nun waren Markt und Anleger über alle Maßen nervös, denn niemand konnte voraussagen, ob eine solche Zinsanhebung eine Konsolidierung bedeutete oder gar zu einem Absturz eskalierte. Im Handelsraum herrschte ein ohrenbetäubender Lärm, denn die Händler versuchten verzweifelt, ihre Kunden zu beruhigen. Bereits in den ersten Minuten nach Börsenbeginn war der NASDAQ ins Rutschen geraten. Alex hatte noch nicht einmal ihr Notebook eingeschaltet, als Marcia mit einem Stapel Notizzettel hereinkam.
    »Der Termin mit den Anwälten von A & RR um zwölf steht«, verkündete sie, »Mr Watkins und mit Mr Levy werden dabei sein, Steve Cavanaugh von Schuyler & Partner bittet um Rückruf, ebenso Franklin Mills und Mr Weinberg. Außerdem hat Mr Vitali angerufen. Ich habe ihm gesagt, Sie seien noch in einer Besprechung. War das okay?«
    Ja. Nein. Alex rieb sich mit Zeigefinger und Daumen die Nasenwurzel. In den letzten drei Wochen hatte Marcia den strikten Befehl gehabt, Sergio mit allen Mitteln abzuwimmeln.
    »Er sagte, er ruft wieder an.«
    »Dann können Sie ihn durchstellen.« Alex tippte ihr Codewort in die Tastatur und war froh, dass Marcia kein Wort über ihr katastrophales Aussehen an diesem Morgen verlor. Die vergangene Nacht erschien ihr mittlerweile wie ein irrsinniger Alptraum oder ein schlechter Film, den sie im Halbschlaf gesehen hatte und an den sie sich nur bruchstückhaft erinnern konnte. Natürlich hätte sie Oliver längst etwas von Sergio erzählen sollen, aber dennoch fühlte sie sich entsetzlich gekränkt und verletzt durch sein Verhalten. Gangsterliebchen! Alex ärgerte sich, weil sie Oliver wirklich mochte, und doch war sie wütend. Wie konnte er sie nur so gemein beschimpfen, ihr überhaupt keine Chance für eine Rechtfertigung lassen? Gerade als sie ihre aktuellen E-Mails überflog, stellte Marcia ihr ein Telefongespräch durch. Es war Sergio. Unwillkürlich machte ihr Herz einen Satz.
    »Ich habe die ganze Nacht über das nachgedacht, was du gestern gesagt hast«, sagte er, ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten, »und du hast Recht. Was hältst du davon, wenn wir einen Strich unter alles ziehen, was bisher war, und einen neuen Anfang wagen?«
    »Meinst du, das hat einen Sinn?«
    »Geh heute Abend mit mir essen, Cara. Lass uns in Ruhe über alles reden.

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