Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
lachte, aber in seinen Augen glomm ein eisiger Funke, als er nun seinen engsten Berater ansah.
»Ich bin nicht größenwahnsinnig, Nelson, das weißt du. Ich habe es von den Straßen von Little Italy bis hierher geschafft und mir hat niemand geholfen. Ich bin Gegenwind gewöhnt und er erschreckt mich nicht. Ganz im Gegenteil: Ich kämpfe gerne! Und ich gewinne gerne. Ich werde auch diesmal gewinnen.«
»Kostidis wird versuchen, dich fertig zu machen.«
»Das versucht er doch seit Jahren«, Sergio machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es interessiert mich nicht. Ich brauche keine Banken, bei denen ich kreditwürdig sein muss, denn ich habe meine eigenen. Ich habe Macht, denn ich habe viel Geld. Ich dränge mich nicht in die Öffentlichkeit, nein, ich bleibe im Hintergrund und ziehe die Fäden, so, wie ich es immer getan habe. Weißt du, Nelson, was schlimm wäre?«
»Nein.«
»Wenn ich diese Leute da unten noch brauchen würde, das wäre schlimm. Aber ich brauche sie nicht«, Sergio lächelte nachdenklich. »Eigentlich könnte ich mich längst zur Ruhe setzen. Ich habe in der letzten Zeit ernsthaft darüber nachgedacht, aber ...«
»Aber?« Nelson sah ihn aufmerksam an.
»Massimo ist noch nicht so weit, um all das hier zu führen«, Sergio machte eine weit ausholende Bewegung, »und außerdem macht mir das ganze Spiel einfach noch zu viel Spaß.«
Nelson betrachtete seinen Freund und Boss mit einem unguten Gefühl. Er hatte dessen unaufhaltsamen Aufstieg miterlebt und wusste, wie kalt und rücksichtslos Sergio Vitali sein konnte. Aber in einem Punkt irrte er. Ihm konnte sein Ruf in der Öffentlichkeit nicht gleichgültig sein, denn viele seiner Geschäftspartner konnten es sich nicht erlauben, mit einem Mann zusammenzuarbeiten, der in der Presse als Mafioso bezeichnet wurde. Sergios auf Gewalt und Blut gegründetes Imperium warnur deshalb so stark und mächtig geworden, weil er es geschickt verstanden hatte, einflussreiche Männer auf seine Seite zu ziehen. Wenn er nun annahm, nichts und niemand könne es mehr erschüttern, dann täuschte er sich. Auf dem Weg nach oben hatte er sich viele Feinde geschaffen, und Nelson war davon überzeugt, dass auch viele der gekauften Freunde nur auf den Moment warteten, in dem Sergios Imperium zu wanken begann, um dann schnell von Bord zu gehen. Es gab auf der Welt keine größeren Opportunisten als Politiker.
»Was ist los, Nelson?«, fragte Sergio. »Hast du etwa Angst wegen dieser Zeitungsschmierereien?«
»Ich finde, du nimmst alles zu sehr auf die leichte Schulter«, antwortete der Anwalt, »wir dürfen uns keine Fehler erlauben, die dazu führen könnten, wichtige Beziehungen zu verlieren.«
»Was willst du damit andeuten?« Sergios eisblaue Augen schienen van Mieren durchbohren zu wollen. Nelson schauderte. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn jemand ausstieg, der wirklich etwas wusste. Vincent Levy, zum Beispiel. Würde er den Ruf seiner Bank riskieren, indem er Sergio öffentlich beistand? Nie und nimmer! Levy war Geschäftsmann und er war kein Italiener, er war Jude. Wenn es hart auf hart kam, würde er die Seiten wechseln, um selbst zu überleben. Aber es hatte keinen Sinn mit Sergio zu diskutieren, denn er wollte einfach keine Realität akzeptieren, außer seiner eigenen. Nelson begriff, dass Sergio längst aufgehört hatte, wirklich auf seine Ratschläge zu hören.
»Nichts«, sagte er also, »du hast Recht. Wahrscheinlich spricht in ein paar Tagen kein Mensch mehr davon.«
Sergio lächelte.
»Du wirst doch auf deine alten Tage keine schwachen Nerven bekommen, Nelson, alter Freund?«, sagte er freundlich. »Spekulationen, ob ich etwas mit der Mafia zu tun habe, schaden weniger als die Aussage eines Mannes, der Zahlen und Fakten kennt. Der Sturm um Zuckerman wird sich legen und dann kommen die Speichellecker aus Politik, Justiz und Verwaltung wieder. Die uralte Gier der Menschen nach Geld und Reichtum hat sie längst an mich geschmiedet.«
Er stand auf und starrte aus dem Fenster. Mochten sie ihm auch eine Weile aus dem Weg gehen, sie würden ihm nie ihreTreue aufkündigen. Einer, der das vorgehabt hatte, lag nun kalt und starr im Kühlhaus der Gerichtsmedizin. Mit Sergio Vitali war nicht zu scherzen.
»Was ist mit der Frau?«
Sergio fuhr herum und blickte Nelson überrascht an.
»Alex?«
»Ja.«
»Nichts. Was soll mit ihr sein?«
»Ist sie auf deiner Seite?«
»Das weiß ich nicht«, Sergio zuckte die Schultern, »sie macht ihren Job,
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