Unter ihrer Haut: Erotische Vampirstory (German Edition)

mehr zu töten, sowie das Gesetz, keine Menschen in Vampire zu verwandeln, das der Rat nicht einstimmig angenommen hat. Schließlich hatten die Vampire sich vollständig von jedem Kontakt zur menschlichen Gesellschaft zurückgezogen. Ihre selbst auferlegte Isolation in ihren verborgenen Schlössern hatte über hundert Jahre gedauert.
    Bis Darius Cole gekommen war.
    Doch selbst die Lektüre dieser vertrauten Geschichten ist besser, als vier dunkle Wände anzustarren. Schließlich liest sie den ganzen Tag.
    Als sie den Band zuschlägt, der mit dem Beginn von Coles Aufstieg zur Macht endet, bemerkt sie, dass die Reihe noch zwei weitere Bände hat. Merkwürdig. An diesem Punkt enden die meisten historischen Werke. Üblicherweise betrachtet man die Ereignisse um Cole als zu kurz vergangen, um schon in die Geschichte des Vampirismus aufgenommen zu werden. Noch nicht beendet. Einen nach dem anderen nimmt sie die beiden Bände und überfliegt die Seiten. Sie handeln alle von Darius Cole. Dem Aufstieg und Fall Coles und seiner Bewegung »Macht der Gerechten«. Keines dieser Bücher hat in der Bibliothek ihrer Eltern gestanden. Sie hat nie etwas über Cole gelesen, weiß nur, was ihre Eltern ihr über ihn erzählt haben. Dass er böse ist. Versucht hat, die Vampire wieder gegen die Menschen aufzuhetzen. Und dass er so stark ist, dass die Vampire ihn nicht allein beherrschen können.
    Das Buch zeichnet genau diese Geschichte nach. Cole ist aus dem Nichts aufgetaucht, ein Vampir mit außerordentlich starken Fähigkeiten und einer Mission. Die Macht der Gerechten – die Vorstellung, dass Vampire eine überlegene Rasse waren und sie ihre übersinnlichen Kräfte einsetzen sollten, um die Menschheit zu versklaven und beherrschen. Die Macht der Gerechten war keine neue Idee, aber Cole belebte die gefährliche Rhetorik neu. Er war so verlockend, redegewandt und besaß diese verdammten telepathischen Kräfte; da hatte es nichts ausgemacht, dass er keinen Clan und keine Abstammung hatte. Rasch hatte Cole drei Vampirclans zu seiner gefährlichen Denkweise bekehrt.
    An diesem Punkt hatte der Clanrat beschlossen, dass er Hilfe brauchte, um ihm Einhalt zu gebieten. Vampire waren anscheinend Coles Kräften gegenüber machtlos, daher wandte sich der Rat an die Menschen.
    Merle blättert um. Das nächste Kapitel des Buchs trägt den Titel »Cobalt«. Auf der Seite vor ihr ist ein Schwarz-Weiß-Bild ihrer Eltern abgedruckt. Ihre Mutter, groß und elegant wie immer, aber viel jünger, ohne ein einziges graues Haar. Auf dem Schwarz-Weiß-Bild wirkt ihr glänzendes braunes Haar pechschwarz. Neben ihr steht Merles Vater, ein wenig größer, mit den breiten Nasenflügeln, die Merle von ihm geerbt hat, viel zu viel hellem Haar und einem breiten Grinsen, das leicht verwegen wirkt.
    Lange starrt Merle auf das Bild und denkt an ihren Vater in seinem Krankenhausbett und ihre Mutter, die sich auf dem Stuhl neben ihm in den Schlaf weint.

Tag 8
    Nachdem Kristina noch mehr Saft, eine neue Zeitung, Eier und eine Tasse Kaffee gebracht hat und wieder gegangen ist, nimmt Merle erneut das Buch zur Hand. Es ist immer noch auf der Seite mit dem Bild ihrer Eltern aufgeschlagen. Sie ist letzte Nacht darüber eingeschlafen.
    Aber jetzt blättert sie um und liest weiter.
    Cole war dabei, eine Armee zum Sturm auf das Schloss des Clans des Schwarzen Smaragds zusammenzuziehen. Dieses Schloss. Die Armee marschierte bei Nacht und wäre über Tag unglaublich verletzlich gegen Angriffe durch Menschen gewesen, hätten diese gewusst, wo sie stand.
    Irgendwie wurde Cole gefangen genommen, als er sich von der Armee absetzte, um allein nach London zu reisen. Nach einiger Zeit in Gefangenschaft gestand Cole, wo sich seine Armee befand. Verriet sie. Sie alle wurden von einem Cobalt-Team getötet, und Cole schwor seinen früheren Überzeugungen von der Macht der Gerechten öffentlich ab.
    Niemand wusste, warum Cole das getan hatte. Was hatte man ihm für das Leben seiner Soldaten versprochen? Die Freiheit vielleicht? Gnade? Jedenfalls bekam er nichts davon. Man lieferte ihn an den Clan des Schwarzen Smaragds aus, und der Clanrat verurteilte ihn zum Leben. Dies war, wie das Buch erklärte, die härteste Strafe, die dem Rat zu Gebote stand.
    Merle schaut sich in der kleinen, dunklen Zelle um, in der sie sitzt. Fünfundzwanzig Jahre. Das ist unvorstellbar, wenn sie davon ausgeht, dass Oberon die Wahrheit über Einzelhaft und Hunger gesagt hat. Die Ketten hatten nach weniger als einem