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Unter Menschen

Unter Menschen

Titel: Unter Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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Käsestücke, aber Sam konnte sich plötzlich nicht mehr darauf konzentrieren. Ein bekannter Duft stieg in seine Nase und er sah in die Richtung, wo er die Quelle vermutete. Es roch nach Meer. Und nach Salzwasser. Er ging ein paar Schritte in die Richtung und versuchte, die Spur wieder aufzunehmen. Und dann sah er das kleine Aquarium. Sam kannte Aquarien, denn Bill arbeitete dort, wo es viele solche Kästen gab. Sam nahm ihm das ein wenig übel, aber so waren Menschen eben. Er selbst hatte auch einen Aufenthalt im Aquarium hinter sich. Zögernd näherte er sich dem Glaskasten. Sam war sich nicht sicher, ob er wirklich sehen wollte, was darin war. Bestimmt eingefangene Fische. Sein Herz schlug etwas schneller und Sam konzentrierte sich darauf, gleichmäßig zu atmen. Er trat an das Aquarium heran und erkannte, dass es Hummer waren. Ihre Scheren waren mit etwas umwickelt, sodass sie sie nicht bewegen konnten. Sam presste die Lippen zusammen. Natürlich hatte er geahnt, dass so etwas auf ihn zukommen mochte. Menschen aßen Fische. Aber Haie taten das auch und Sam konnte die meisten Haie gut leiden. Trotzdem war es schwer, das zu akzeptieren. Vielleicht hatte George auch schon Fische verspeist. Sehr wahrscheinlich sogar. Neben den Hummern gab es eine ähnliche Theke, wie die, an der George den Käse kaufte. Mehrere Menschen standen davor und betrachteten die Auslagen. Sam näherte sich ihnen und überlegte noch kurz, einfach zu George an die Käsetheke zurückzukehren. Die Menschen verdeckten vielleicht schreckliche Dinge, die man sich besser nicht anschaute. Eine Frau vor ihm verließ plötzlich ihren Platz und sein Blick fiel auf das, was dort ausgebreitet lag. Was er sah, ließ ihn aufstöhnen. Sam wich zurück, konnte aber den Blick nicht von den vielen toten Fischen nehmen. Übelkeit stieg in ihm auf. Dann wurde ihm schwarz vor den Augen.
    Jemand schrie und George ließ beinahe sein Käsepaket fallen. Er sah sich um. Von Sam war nichts zu sehen, aber vor der Fischtheke hatte sich eine Menschentraube gebildet.
    „Nein, bitte nicht“, murmelte George. Er ließ den Wagen stehen und rannte los. Die Menschen wichen zurück, als George auf sie zustürmte und gaben den Blick auf den am Boden liegenden Jungen frei. Eine Frau hatte sich über Sam gebeugt und wollte ihn gerade berühren, als George schon neben ihm war und ihn in seine Arme lagerte. Sams Lider flatterten. Er stöhnte leise.
    „Jemand muss einen Arzt holen!“, rief eine Frauenstimme. „Ist denn kein Arzt hier?“
    „Nein! Nein, wir brauchen keinen Arzt. Ich kenne das schon. Er erholt sich gleich wieder. Keinen Arzt, ich bitte Sie.“ George strich Sam über die Stirn.
    „Ich bin hier, Sam“, flüsterte er ihm ins Ohr. „Es ist jetzt gut, ich bin hier.“
    Sam wimmerte und bewegte den Kopf.
    „Du musst dich konzentrieren. Du darfst dich jetzt nicht verwandeln. Wir sind im Supermarkt, weißt du noch? Wir kaufen zusammen ein. Nicht verwandeln, Sam. Konzentriere dich. Hier, trink etwas.“
    Er zog die Trinkflasche aus Sams Umhängetasche und schraubte sie auf. Dann flößte er ihm ein wenig Flüssigkeit ein. Die umstehenden Leute beobachteten ihn, manche besorgt, andere eher schaulustig. Einige wandten sich wieder ihren Einkäufen zu, wofür George dankbar war.
    Sam trank von dem Wasser und drückte sich dann an George, der ihm beruhigend über den Rücken strich.
    „Du darfst dich nicht verwandeln“, flüsterte George wieder. „Du musst es unterdrücken. Schaffst du das?“
    „Hm“, machte Sam.
    „Okay, das ist gut. Das ist gut, Sam“ George hielt ihm die Flasche wieder an die Lippen, als Neill in sein Blickfeld trat.
    „Was ist denn hier los?“, fragte er. „Hat er einen Anfall?“
    „Es ist gleich vorbei“, sagte George.
    „Geht es Ihrem Sohn wieder besser?“, fragte eine Frau. Es war dieselbe, die sich vorher über Sam gebeugt hatte.
    Sams Kopf drehte sich ein wenig. Hatte sie von ihm gesprochen?
    „Ja, es geht ihm besser. Ich danke Ihnen“, sagte George.
    Ein warmes Gefühl kribbelte in Sams Brust. Diese Menschenfrau hielt ihn für Georges Sohn und George tat so, als ob er das tatsächlich wäre! Sam erinnerte sich an das Frühstücksgespräch.
    „Du bist meine Tochter und Sam ist ...“
    Damals hatte George mitten im Satz inne gehalten, aber nur, um Sam nicht zu verletzen. Und jetzt? Fühlte er es nun anders? Die Frau lächelte freundlich auf Sam herab. Sam lächelte auch, aber aus einem anderen Grund.
    Geht es Ihrem Sohn wieder

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